Burnout-Prävention – Der Praxisleitfaden

BURNOUT-VERMEIDUNG FÜR UNTERNEHMEN

Hier finden Sie einen Praxisleitfaden zur Burnout-Prävention für Personaler, Führungskräfte und Mitarbeiter. Dieser enthält Checklisten, Seminare, Trainings und Online-Tests

 

Das Burnout-Syndrom – Die lautlos schleichende Dauererschöpfung – Ursachen, Signale & Vermeidungstipps

Das Burnout-Syndrom ist ein Zustand starker psychischer Erschöpfung. Es wird als Syndrom bezeichnet, weil eine Vielzahl von Symptome, wie emotionale Erschöpfung, Antriebslosigkeit, Gleichgültigkeit oder das Erleben von Misserfolg, sich hier ansammeln. Dies kann bis zu körperlichen bzw. psychosomatischen Erkrankungen führen. Ursachen für das Burnout-Syndrom sind häufig unregulierter Stress, zu kurze Erholungsphasen oder fehlende Sinnhaftigkeit in Arbeit oder Privatleben. Nicht selten endet der psychische Erschöpfungszustand in längerer Handlungs- bzw. Arbeitsunfähigkeit, die bis zu einigen Monaten manchmal Jahren andauern kann.

Burnout wird erst seit kurzer Zeit als Erkrankung im ICD-10 (Intern. Klassifikation der Erkrankungen) unter dem Diagnoseschlüssel Z73.0 geführt und als „Ausgebranntsein“ beschrieben. Damit fällt es in den Bereich „Probleme mit Bezug auf Schwierigkeiten bei der Lebensbewältigung“. Es ist damit aber trotzdem noch keine Behandlungsdiagnose, sondern noch immer nur eine Zusatzdiagnose. Diese Diagnose kann zwar zur Überweisung in einen stationären Krankenhaus Aufenthalt beitragen, doch keine Leistungspflicht einer Krankenkasse begründen, wie es z.B. bei Depressionen der Fall ist. Ein zentrales Merkmal für ein Burnout ist die „Depersonalisierung“. Hierbei verändert die erkrankte Person ihr Bewusstsein für ihre eigene Person (z.B. Körper, Persönlichkeit, Gefühle, Handeln oder Sprechen) und erlebt diese als fremd bzw. nicht-zu sich-gehörig.

Arbeit und Gesundheit, zwei Themen, die seit einigen Jahren für Schlagzeilen sorgen, denn die Zahlen der dauerhaft kranken Mitarbeiter steigen. In ihrem Gesundheitsreport 2012 warnt die DAK, dass sich die Krankheitsfälle der Angestellten in den letzten 15 Jahren verdoppelt haben. Im Ergebnis sind Arbeitnehmer in 14,5% der Krankentage aufgrund psychischer Probleme der Arbeit ferngeblieben. Grund genug für die Krankenkassen, die Versorgung zu verbessern. Doch auch die Notwendigkeit der Prävention wird überdeutlich, auch um den Schaden für die Betriebe möglichst gering zu halten und betriebswirtschaftliche Ressourcen nicht zu gefährden.

 


 

Ursachen für den Burnout

Die Diagnose „Burnout“ gibt es bis heute nicht. Hier werden andere Schlüssel aus der Diagnose Leitliste hinzugezogen. Tatsächlich ist dann von Anpassungsstörungen oder Depressionen die Rede. Die Auslöser können vielfältig sein, entziehen sich aber fast immer dem Patienten. Erschwerend kommt hinzu, dass die Betroffenen das Ausmaß der Symptome oft erst dann erfassen, wenn die Leistungsfähigkeit soweit eingeschränkt ist, dass eine langfristige Krankschreibung erforderlich ist. Schlimmstenfalls ist der Arbeitnehmer dauerhaft arbeitsunfähig. Als Ursache steht die emotionale Überforderung an erster Stelle. Betriebe, die ihren Mitarbeitern keine Pausen gönnen und die Grenzen zwischen Herausforderung und Überlastung nicht erkennen, machen sich mitschuldig an den Folgen. Besonders gefährdet sind junge Mitarbeiter, die augenscheinlich leistungsfähig und auch ehrgeizig sind. Aufstrebende Kräfte sollen gefordert, aber auch entlastet werden. Permanente Erreichbarkeit, Verantwortung für umfangreiche Aufgabengebiete und ein harter Umgangston können die Belastung zusätzlich erhöhen.

 


 

Symptome des Burnouts

Kein Burnout trifft den Patienten aus heiterem Himmel. Der Krankheitsverlauf ist schleichend und zeigt sich zu Beginn vor allem im privaten Umfeld durch unbewusste Versuche der Kompensation. Das kann sich im Griff zu Medikamenten oder Alkohol äußern, vermehrter Aggression und einem veränderten Freizeit- und Sozialverhalten, aber auch in nachlassender Konzentration und Produktivität. Typische körperliche Symptome sind Schlafstörungen, Unruhe und eine höhere Infektanfälligkeit.

 


 

Ist es bei Ihnen schon 5 vor 12 ?

Die Entwicklung eines Burnouts lässt sich in folgenden 12 Phasen beschreiben (vgl. Modell Freudenberger).

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Burnout-Entwicklung und Glaubenssätze

die 12 Phasen der Burnoutentwicklung

 

Checkliste für Führungskräfte: Zeigen Sie oder Ihre Mitarbeiter schon Burnout-Symptome?

Psychische Burnout-Symptome
Physische Burnout-Symptome
Burnout-Symtome auf der Verhaltensebene1Physische Burnout-Symptome

Burnout-Symtome auf der Verhaltensebene1

Burnout-Symtome auf der Verhaltensebene2

Burnout-Symtome auf der Verhaltensebene3

Burnout-Symtome auf der Verhaltensebene4

 

(Quelle: www.hilfe-bei-burnout.de, imedo GmbH)

 

Übersicht: Burnout-Tests

 

Hier finden Sie Online-Tests zur Ermittlung der Burnout-Gefahr.

 

» Burnout-Test mit arbeitspsychologischem Schwerpunkt (ca. 5 min.) «

 


 

 

» Burnout-Test mit medizinischem Schwerpunkt (ca. 15 min.) «

 


 

 

» Burnout-Test nach Dr. Günther Possnigg (ca. 5 min.) «

 


 

 

 

» Burnout-Test als Kurzform (ca. 5 min.) «

 


 

 

Wichtig: Diese Tests können Ihnen nur eine Orientierung geben, ob Sie Faktoren aufweisen, die eine Burnout-Erkrankung/ Erschöpfungssyndrom begünstigen. Um eine genaue Diagnose zu erhalten sollten Sie Ihren Hausarzt oder einen Spezialisten für psychische Erkrankungen konsultieren.

 

 

Burnout-Prävention in Unternehmen

Je schlechter das Betriebsklima und je höher der Leistungsdruck, desto wahrscheinlicher ist der Ausfall von Mitarbeitern infolge psychischen Erkrankungen, wie z.B. dem Burnout-Syndrom. Führungskräfte sollten also darauf achten, dass die Mitarbeiter ihre Pausen nehmen. Doppelschichten, permanente Erreichbarkeit, nicht ausreichende Personalentwicklung mit daraus resultierende Dauerbelastungen sollten vermieden werden. Ein guter Kontakt zu den Mitarbeitern und ein offenes Ohr und Auge für die Anliegen der Mitarbeiter, tragen zu einem gesunden Vertrauensverhältnis bei. Führungskräfte müssen angehalten werden, nicht nur Ihre Jahresziele zu erfüllen, sondern auch die Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter langfristig zu erhalten. Dazu sollten Fortbildungen im Bereich des Betrieblichen Gesundheitsmanagements durchgeführt werden. Und das nicht erst wenn der Krankenstand steigt. Im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung „Psychische Belastungen“ (GBpsych)
lassen sich erste Anzeichen und Ursachen für psychische Dauerbelastungen erkennen und beseitigen. Eine motivierender Führungsstil kann die Leistungsfähigkeit im Unternehmen auf Dauer erhalten und damit Fluktuation und Krankentage reduzieren.

 

Unsere Seminar-Tipps:

» Führungskräfte-Seminar „Burnout-Vermeidung – Gefahren erkennen und vermeiden“ «

» Stress-Training Inhouse-Seminare für Stressmanagement für Mitarbeiter und Führungskräfte «

» Tipps zum Erkennen psychisch erkrankter Mitarbeiter finden sie hier «

 

 

Umgang mit erkrankten Mitarbeitern nach der Rückkehr an den Arbeitsplatz

Mit der Diagnose des Burnouts fällt der Mitarbeiter für unbestimmte Zeit aus. Vor dem Wiedereinstieg sollten zwingend Gespräche stattfinden, z.B. ein Krankenrückkehrgespräch durch die Führungskraft,  bei denen eine Vertrauen erweckende Grundhaltung unabdingbar ist. Ein Mitarbeiter, der aufgrund der belastenden Situation im Unternehmen krank geworden ist, darf nicht wieder in die ursprüngliche Arbeitsrolle gedrängt werden. Ein schonender Wiedereinstieg, z.B. halbtags (z.B. über das Hamburger Modell), kann in Absprache mit dem Angestellten durchaus sinnvoll sein. Unter Umständen müssen die Arbeitsaufgaben neu definiert werden. Es kann sinnvoll sein, gegen das Angebot eines reduzierten Gehaltes, die Stundenzahl dauerhaft zu reduzieren oder Aufgaben aus dem Verantwortungsbereich zu entfernen. Unterstützung und Verständnis, auch für schwierige private Situationen, stärken das Zugehörigkeitsgefühl zum Unternehmen und können weiteren Erkrankungen entgegenwirken. Andernfalls sind Rückfälle zu befürchten, die lt. Studien der Krankenkassen einen erheblich längeren Krankenstand nach sich ziehen.

» Erfahren Sie im Praxisleitfaden mehr zu Krankenrückkehrgesprächen für Führungskräfte «

 

Wie können Führungskräfte einen Burnout beim Mitarbeiter verhindern?

Seit 2004 ist die Anzahl der Arbeitsunfähigkeitstage in deutschen Unternehmen um fast 1.400 % gestiegen (Quelle: BPtK-Studie „Arbeitsunfähigkeit und psychische Erkrankungen 2012 ). Burnout ist damit weiterhin auf dem Vormarsch. Dabei gibt es Möglichkeiten von Seiten der Führung der Erkrankung von Mitarbeitern vorzubeugen. Es ist jedoch sinnvoll zunächst herauszufinden, wo die psychischen Belastungen innerhalb der Firma am größten sind. Welche Arbeiten setzen die Mitarbeiter unter Druck? Wo ist Handlungsbedarf? Und was kann unternommen werden, um die Mitarbeiter gesund und leistungsfähig zu lassen? Hierfür biete es sich an, die vom Gesetzgeber empfohlene Gefährdungsbeurteilung „psychische Belastungen“ (GBpsych) durchzuführen.

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Maßnahmen für Führungskräfte um Burnout bei Mitarbeitern zu verhindern

Als Führungskraft sollten Sie Vorbild und Ansporn zugleich sein. Ein professionelles Verhalten vorzuleben und das Wohl der Mitarbeiter im Blick zu behalten ist hierfür besonders wichtig. Nachfolgend werden Maßnahmen vorgestellt, wie Sie dies im Hinblick auf die psychische Gesundheit der Mitarbeiter erreichen werden.

 


Tipp 1: „Burnout“- Erkrankungen enttabuisieren

Psychische Erkrankungen sind häufig noch immer ein Tabu-Thema. Als Führungskraft sollten Sie das Thema in Gruppenbesprechungen oder auch in Einzelgesprächen ansprechen und in Ihrem Team darüber offen kommunizieren.

 


 

Tipp 2: Die Mitarbeiter wertschätzen

Von vielen Führungskräften wird noch häufig der Standpunkt vertreten, dass eine deutliche Distanz zu den Kollegen gewahrt werden muss um gut zu führen. Das ist nicht immer zutreffend. Die permanent hohe Arbeitsleitung des Mitarbeiters sollte jedoch nicht als Selbstverständlichkeit betrachtet werden. Gute Leistungen sollten regelmäßig belohnt werden. In vielen Fällen ist hier ein „Danke“ oder anerkennendes „Gut gemacht!“ mehr Wert und nachhaltiger als eine Gehaltserhöhung.

 


 

Tipp 3: Flexible Arbeitszeiten

Flexible Arbeitszeiten sind nicht überall möglich. Doch wo es sich einrichten lässt, können diese die Produktivität, Zufriedenheit und Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter deutlich fördern. Gleichzeitig können flexible Arbeitszeiten den Handlungsspielraum erhöhen und somit helfen Stress zu senken.

Selten war es so schwer wie heute, die Familie und Arbeit unter einen Hut zu bringen. Mit flexiblen Arbeitszeiten oder einem Home-Office-Arbeitsplatz (bzw. Telearbeitsplatz) fällt es vielen Arbeitnehmern leichter sich die Aufgaben so einzuteilen, dass sich diese mit dem Beruf und der Familie besser vereinbaren lässt. Doch Vorsicht: Nicht für jeden Mitarbeiter ist ein Home-Office geeignet.

 


 

Tipp 4: Ziele realistisch gestalten

Konkrete Ziele stärken die Motivation der Mitarbeiter. Aber diese so gesteckt werden, dass sie auch erreicht werden können. Die Wunschvorstellungen und Unternehmensvorgaben von Führungskräfte sollten nicht dazu führen, dass permanent „Arbeitswunder“ vollbracht werden müssen.

 


 

Tipp 5: Gespräche führen

In gewisser Regelmäßigkeit sollten Mitarbeitergespräche durchgeführt werden. Hier sollte die Arbeitsbelastung und Anforderungen ein wichtiges Thema sein. Sowohl Überforderung als auch Unterforderung können gesundheitsgefährdend sein und den Mitarbeiter auf Dauer krank machen. Allein die Tatsache, dass Sie als Vorgesetzt bei Lösungen Unterstützung anbieten und ein „offenes Ohr“ bzw. eine „offene Tür“ anbieten und zeigen, nimmt den Druck und senkt den Stress.

 


 

Tipp 6: Gesundheit der Mitarbeiter fördern

Durch Seminar-Angebot, Fitness-Kurse und Programme zur Stressbewältigung können Sie als Führungskraft Hilfe zur Selbsthilfe leisten. Es ist Führungsaufgabe dafür zu sorgen, dass Ihre Mitarbeiter auch an z.B. betrieblichen Gesundheitsangeboten teilnehmen können. Hierzu ist es in erster Linie wichtig diese regelmäßig zu kommunizieren und mit gutem Beispiel voran zu gehen.

 


 

Tipp 7: Mitarbeiter zielgerichtet einsetzen

Nur wenig ist frustrierender, als eine Arbeit verrichten zu müssen, für die man keine Eignung besitzt. Der Tag verläuft schleppend, die Motivation sinkt und im schlimmsten Fall ist der Mitarbeiter überfordert und erfüllt die Erwartungen der Kollegen und des Vorgesetzten nicht, was zu einem erhöhten Stress-Level führt. Finden Sie also die Stärken Ihrer Mitarbeiter und Schwächen Ihrer Mitarbeiter heraus und lassen Sie sich regelmäßig Rückmeldung über den Anforderungsgrad und den aktuellen Belastungszustand Ihrer Teammitglieder geben.

 


 

Tipp 8: Arbeitsstrukturen überprüfen

Eine zu hohe Belastung bestimmter Mitarbeiter kann an fehlerhaften, innerbetrieblichen Strukturen liegen. Nicht selten herrschen in den Unternehmen an vielen Stellen Personalengpässe aufgrund einer zu schmalen Personaldecke oder langzeiterkrankten Mitarbeitern. Auch ein zu hohes Maß an Bürokratie fördert die Wahrscheinlichkeit von Burnout. Hier kann eine Überprüfung von Arbeitsprozessen und –strukturen helfen, überflüssige Arbeitsschritte abzubauen und Zeit zu gewinnen.

 


 

Tipp 9: Das Betriebsklima verbessern

Die Maßnahmen zur Förderung des Betriebs- bzw. Teamklimas ist oft von der Teamgröße, dem Arbeitsplatz selber oder der Motivation der Mitarbeiter abhängig. Ein gemeinsamer Ausflug zum Weihnachtsmarkt, ein gemeinsamer Business-Lunch einmal pro Woche in der Kantine oder gemeinsame Freizeitaktivitäten können für einen besseren Zusammenhalt sorgen.

 


 

Tipp 10: Konflikte aufdecken und beseitigen

An praktisch jedem Arbeitsplatz gibt es Konflikte. Diese werden jedoch oft im Verborgenen ausgetragen. Sie als Führungskraft sind dafür verantwortlich Konflikte zu erkennen und anzusprechen. Das Ignorieren von Streit führt in fast allen Fällen zu einer Verschärfung und Verschlechterung des Miteinanders des gesamten Teams. Sollten Sie selbst diese Konflikte nicht lösen könne, so ist es keine Schande sich professionelle Unterstützung, z.B. durch Mediation oder eine Gruppen-Supervision hinzuzuziehen.

 

 

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Körperlich-sportliche Aktivität – Geeignetes Mittel für eine betriebliche Burnout-Prävention? – Konzeption spezifischer Handlungsempfehlungen

In Deutschland wird laut Korczak, Wastian und Schneider (2012) eine Burnout-Symptomatik vorwiegend mit Psychopharmaka, pflanzlichen Substanzen, Verhaltens-, Kunst-, Physio- und Psychotherapie behandelt.
Einen weiteren, bisher nur begrenzt evaluierten Schwerpunkt in der Burnout-Forschung, stellt die betriebliche Burnout-Prävention mit dem Kernelement der körperlich-sportlichen Aktivität dar. Trotz der wenigen, bisher vorliegenden wissenschaftliche Erkenntnisse, wird davon ausgegangen, dass Sport nicht nur als Therapieform in der Behandlung depressiver Erkrankungen eingesetzt werden kann, sondern auch im Bereich der Prävention äußerst sinnvoll ist (Olson et al., 2014).


 

Psychische Grundbedürfnisse sollen durch körperlich-sportliche Aktivität gestärkt werden, um Burnout vorzubeugen

Die „subjektive Autonomie“ beeinflusst das psychische Wohlbefinden laut Burisch (2010) in hohem Maße. Menschen streben nach Autonomie und möchten frei entscheiden können. Burisch (2010) verdeutlicht in diesem Zusammenhang, dass psychisches Wohlbefinden nicht nur durch die faktische Autonomie erzeugt wird, sondern schon allein durch die Illusion, autonom agieren zu können (Burisch, 2010). Autonomie, Selbstwirksamkeit und soziale Eingebundenheit stellen nach Deci und Ryan (2000) die psychologischen Grundbedürfnisse des Menschen dar. Individuen verfolgen also gewisse Ziele, um ihren angeborenen, psychologischen Bedürfnissen nachzukommen. Demnach bildet Intention die Grundlage motivierten Handelns.

Im mehrdimensionalen Behandlungskonzept depressiver Erkrankungen spielen bewegungsbezogene Maßnahmen im Kontext einer Sporttherapie eine große Rolle. Hierbei liegt der Fokus nicht nur auf der Stärkung der physischen Leistungsfähigkeit bzw. der Rehabilitation physischer Komponenten, sondern ebenso auf der Stärkung der psychologischen Grundbedürfnisse durch Sport- und Bewegungstherapie. (Weigelt, Steggemann, Machlitt & Engbert, 2012). Längle (2004) betont, dass durch Sport- und Bewegungstherapien eine Förderung der sozialen Eingebundenheit sowie des Kompetenzerlebens eines Individuums erzielt werden kann (Längle, 2004). Vor allem Erfolgserlebnisse und positive Rückmeldungen im Bereich der sportlichen Aktivität können frühzeitig zu einer Förderung der Selbstwirksamkeit von Individuen führen (Götz & Deimel, 2013). Da ein hohes Maß an Selbstwirksamkeitsempfinden nach Schmitz und Schwarzer (2000) schützend gegen Burnout wirken kann, wird der Schluss gezogen, dass sportliche Aktivität in der Prävention von Burnout eingesetzt werden sollte.

Körperliche Aktivität spielt bei der Förderung von „mental health“ eine entscheidende Rolle. Während die Auswirkungen und Arten von Burnout vielfach untersucht werden, besteht jedoch Forschungsbedarf in Bezug auf den Zusammenhang zwischen körperlicher Aktivität und Burnout. Dieser konnte bislang nicht eindeutig wissenschaftlich geklärt werden (Olson, Odo, Duran, Pereira & Mandel, 2014). Olson und Kollegen (2014) widmen sich in ihrer Studie der Untersuchung des Einflusses von körperlicher Aktivität auf Burnout und wagen den Schritt in eine bislang neue Forschungsthematik. Die Studie findet in Minnesota statt und es partizipieren 149 Freiwillige. Zur Messung des Niveaus der körperlichen Aktivität der Teilnehmer wird das IPAQ-SF Fragebogenverfahren genutzt. Die Prävalenz des beruflichen Burnouts der Stichprobe soll durch den MBI-HSS Fragebogen erfasst werden. Die Probanden werden zwei Gruppen zugeteilt, je nachdem ob das Ergebnis ihres Aktivitätsniveaus den nationalen Richtlinien für körperliche Aktivität entspricht oder nicht. Die resultierenden Ergebnisse sprechen dafür, dass Probanden deren Niveau der körperlichen Aktivität in Einklang mit den nationalen Empfehlungen für gesunde, körperliche Aktivität steht, weniger burnoutgefährdet sind. Olson und Kollegen (2014) bestätigen also die Annahme, dass körperliche Aktivität bzw. Sport Burnout eindämmen kann.


 

Orientierungshilfe und Analyseinstrument der Wahl in der Praxis

Um theoretisch begründete und faktorenanalytisch untermauerte Handlungsempfehlungen geben zu können, bedarf es der Orientierung an den Ergebnissen eines umfassend normierten, sowie standartisierten Analyseinstruments. Hierfür fällt die Wahl auf das Arbeitsbezogene Verhaltens- und Erlebensmuster von Schaarschmidt & Fischer.

Das AVEM ermöglicht es, gesundheitsförderliche bzw. -gefährdende Verhaltens- und Erlebensweisen bei der Bewältigung von Arbeits- und Berufsanforderungen zu erfassen und mit bevölkerungsrepräsentativen Normen zu vergleichen (Schaarschmidt & Fischer, 2008).
Einsatz findet das AVEM vor allem im Rahmen personenbezogener Interventionen z.B. bei der Unterstützung von Beratung, Coaching, Supervision, Gesundheitszirkeln oder aber einschlägigen Trainingsmaßnahmen. Des Weiteren bietet er Unterstützung bei der gesundheitsförderlichen Arbeits- und Organisationsgestaltung ganzer Arbeitsbereiche.

Das individuelle Verhaltens- und Erlebensmuster soll in mehreren Dimensionen erfasst werden, welche sich wiederum den drei inhaltlichen Bereichen Arbeitsengagement, psychische Widerstandskraft und berufsbegleitende Emotion zuordnen lassen (Schaarschmidt & Fischer, 2008, S. 5). Zur Auswertung des AVEM werden zuerst die Ausprägungen in 11 Dimensionen als Skalenwerte ermittelt und in Staninewerte übertragen. Anschließend werden diese den vier Referenzprofilen bzw. Mustern zugeordnet. Diese vier Muster des Verhaltens und Erlebens gegenüber der Arbeit stellen sich wie folgt dar (Schaarschmidt & Fischer, 2008, S. 11-14):

  1. Das Muster G (G für Gesundheit); (hohes (aber nicht zu hohes) berufliches Engagement, ausgeprägte Widerstandsfähigkeit gegenüber Belastungen, positives Lebensgefühl)
    ↑ Hohe Ausprägungen in Beruflicher Ehrgeiz, Distanzierungsfähigkeit, Offensive Problembewältigung, Innere Ruhe und Ausgeglichenheit, Erfolgserleben im Beruf, Lebenszufriedenheit, Erleben sozialer Unterstützung
    ↓ Niedrige Ausprägungen in Resignationstendenz bei Misserfolg
  2. Das Muster S (S für Schonung); (ausgeprägte Schonungs- (oder auch Schutz-) Tendenz gegenüber beruflichen Anforderungen)
    ↑ Hohe Ausprägungen in Distanzierungsfähigkeit, Innere Ruhe und Ausgeglichenheit, Lebenszufriedenheit
    ↓ Niedrige Ausprägungen in Bedeutsamkeit der Arbeit, Beruflicher Ehrgeiz, Verausgabungsbereitschaft, Perfektionsstreben, Resignationstendenz bei Misserfolg
  3. Das Muster A (A für Anstrengung); (exzessives Engagement (Selbstüberforderung) bei eher eingeschränktem Lebensgefühl und verminderter Widerstandfähigkeit gegenüber Belastungen)
    ↑ Hohe Ausprägungen in Bedeutsamkeit der Arbeit, Verausgabungsbereitschaft, Perfektionsstreben, Resignationstendenz bei Misserfolg
    ↓ Niedrige Ausprägungen in Distanzierungsfähigkeit, Innere Ruhe und Ausgeglichenheit, Lebenszufriedenheit, Erleben sozialer Unterstützung
  4. Das Muster B (B für Burnout); (vorherrschendes Erleben von Überforderung)
    ↑ Hohe Ausprägungen in Resignationstendenz bei Misserfolg
    ↓ Niedrige Ausprägungen in Distanzierungsfähigkeit, Offensive Problembewältigung, Innere Ruhe und Ausgeglichenheit, Erfolgserleben im Beruf, Lebenszufriedenheit, Erleben sozialer Unterstützung, Beruflicher Ehrgeiz, subjektive Bedeutsamkeit der Arbeit

Bezüglich der Testgütekriterien kann gesagt werden, dass das AVEM eine hohe Auswertungs- sowie Durchführungsobjektivität vorweist. Besondere Beachtung gilt der Validität, hinsichtlich des Zusammenhangs zwischen den vier Verhaltens- und Erlebensmustern und einer Vielzahl von Binnen- und Außenkriterien, welche eine Gesundheitsrelevanz überzeugend nachweisen. Das AVEM ist somit als umfassend validiertes Verfahren anerkannt.

Die Reliabilität des AVEM lässt sich anhand der Konsistenzkoeffizienten (Cronbachs α), welche zwischen 0,75 und 0,83 liegen, als relativ hoch einstufen. Die Koeffizienten wurden anhand einer großen Normierungsstichprobe (N= 31.979) abgeleitet (Schaarschmidt & Fischer, 2008).


 

Zielgruppenspezifische Handlungsempfehlungen für eine künftige betriebliche Gesundheitsförderung im Sinne einer Burnout-Prävention mittels körperlich- sportlicher Aktivität

Das Risikomuster A spricht für eine erhöhte einseitige Betonung der Arbeit und eine Selbstüberforderung sowie Unausgeglichenheit und Ungeduld. In diesem Muster sollten laut Schaarschmidt (2006) individuelle Maßnahmen für eine „Relativierung des Stellenwertes der Arbeit gegenüber den anderen Bereichen des Lebens“ betrieben werden. Um die Distanzierungsfähigkeit der Mitarbeiter von beruflichen Herausforderungen zu steigern, sollte eine „Förderung von Aussprachemöglichkeit sowie Konflikt- und Stressbewältigungstraining“ geschaffen werden. Dies kann in Form von speziellen Trainingsangeboten zum Stressabbau (Bsp. Progressive Muskelrelaxation) oder Konfliktmanagement geschehen. Ziel der Therapie des Risikomuster A ist die emotionale Distanzierung vom Arbeitsumfeld, wodurch das Gewicht auf aktiven Freizeitaktivitäten liegt. Anregungen zu sportlichen Aktivitäten liefern dafür Weigelt et. al (2012) mit Bewegungsprogrammen, die aus sportpsychologischen Entspannungs- und Stressbewältigungstechniken sowie Wahrnehmungsübungen bestehen können. Personen dieses Risikomusters neigen mehr als alle anderen Muster zu Herz-Kreislauf Erkrankungen mit eingeschlossenem Infarktrisiko (Schaarschmidt, 2006, S.7). Aus diesem Grund sollte der Fokus bei körperlicher Aktivität auf entspannenden Maßnahmen liegen. Weigelt et. al (2012) schlagen daneben Spiel- und Bewegungsformen vor, die spontanes Handeln fördern und positive Erfahrungen im Arbeitsumfeld begünstigen. Beispiele dafür können aus der Sportpsychologie Übungen sein wie „Ich bleib‘ dabei!“ und „Konzentration bei körperlicher Belastung“ (Übungen siehe Engbert et. al, 2011) sein. Sportspiele wie „Völkerball“ und „Ball über die Schnur“ sehen die Autoren Weigelt et. al als eine weitere Möglichkeit bei depressiven Personen Fehler zu überbewerten und dadurch spontanes Handeln zu fördern.

Das Risikomuster B des AVEM ist geprägt von einer niedrigen Motivation im Beruf und gleicht demnach einem Burnout. Personengruppen mit dem Muster B kennzeichnen sich mit einer hohen Resignationstendenz und einer einhergehenden niedrigen Lebenszufriedenheit sowie ausbleibenden Erfolgschancen. Aus diesem Grund stellt der Motivationsaspekt eine wichtige Grundlage für dieses Risikomuster dar. Speziell die Mitarbeiter mit dem gemischten Muster S und B sind von Bedeutung, da sie zu Schonhaltung, negativen Emotionen und Hoffnungslosigkeit neigen. In diesen Fällen kann der Übergang zu einem Burnout fließend verlaufen (Schaarschmidt, 2006, S.). Mitarbeiter mit der beschriebenen Symptomatik sollten im Betrieb hinsichtlich ihrer Motivation gefördert werden. Ein Beispiel dafür bieten Mutz & Müller (2016) mit Outdooraktivitäten, die vor allem das mentale Wohlbefinden stärken sollen. In dem Studienaufbau der Autoren waren acht Schüler der Sekundarstufe auf einer neun Tage Wandertour von Oberstdorf nach Meran unterwegs und wurden mithilfe von Fragebögen nach ihrer wahrgenommenen Belastung, ihrer Selbstwirksamkeit, ihrer Achtsamkeit und ihrem subjektiven Wohlbefinden befragt. Das Ergebnis dieser Befragung nach der Wanderung war, dass zwar keine signifikanten Unterschiede festgestellt werden konnten, aber dennoch die wahrgenommene Belastung der Schüler verringert werden konnte sowie die Achtsamkeit und das Wohlbefinden gestiegen sind. Als Empfehlung für die Arbeitgeber könnten daher möglicherweise Tageswanderungen oder gemeinsame Ausflüge gesehen werden, die nicht nur die sozial-kommunikativen Kompetenzen der Mitarbeiter stärken, sondern auch im metaphorischen Sinne ein Berg erklommen wird, der für das Erreichen von Zielen (Bsp. Gewinnmaximierung) stehen kann.

Eine weitere Empfehlung sind Rückenschulkurse, die die Gesundheit der Mitarbeiter am Arbeitsplatz zum Ziel haben. Es wird dabei auf eine ergonomische Position des Mitarbeiters geachtet sowie aktive Phasen berücksichtigt, in denen an einem Sportkurse zur Rückengesundheit teilgenommen wird. Grundlage für empfundene Rückenschmerzen sind laut Kempf (2010, S.391) psychosoziale Aspekte des Mitarbeiters wie zum Beispiel Sorgen und Arbeitsunzufriedenheit und die körperliche Belastung. Da an zahlreichen deutschen Arbeitsplätzen vorwiegend sitzende oder stehende Tätigkeiten ausgeführt werden, ist die Gefahr von Rückenschmerzen sehr groß. Zur Verbesserung der Rückengesundheit schlägt Kempf (2010) eine „Optimierung des menschlichen Verhaltens und der individuellen Ressourcen“ (S.393) vor, die das Verhalten der Mitarbeiter betreffen. Beispielweise sollte auf die eigene Haltung und Sitzposition geachtet werden sowie einen aktiven Alltag. Es kann der Weg zur Arbeit häufiger mit dem Fahrrad erfolgen oder Treppen statt Aufzüge benutzt werden. Eine Förderung der körperlichen Aktivität kann der Betrieb gegebenenfalls mit monetären Anreizen begünstigen. Weiterhin nennt Kempf (2010) die „Optimierung der Arbeitsbedingungen und damit Vermeidung, Beseitigung und Reduzierung arbeitsplatzabhängiger Risikofaktoren“ (S.393) als eine weitere wichtige Maßnahme für die Rückengesundheit. Dazu zählt die beschriebene Ergonomie von Arbeitstisch und –stuhl. Eine Einführung in Präventivmaßnahmen kann in diesem Themenspektrum auch sogenannte Gesundheitstage im Betrieb sein, bei denen die Mitarbeiter erste Informationen sammeln und sich aktiv mit dem Thema auseinandersetzen (Kempf, 2010, S.412).


 

Fazit

Die abgeleiteten Empfehlungen sollen den positiven Nutzen, welchen eine Burnout-Prävention mittels körperlich-sportlicher Aktivitäten im Bereich des Betrieblichen Gesundheitsmanagements haben kann, verdeutlichen. Bereits durch viele positive Beispiele konnte gezeigt werden, welche Effekte ein Bewegungsprogramm im Betrieb auf die Mitarbeiter, das Arbeitsklima und letztlich auf den Erfolg eines Unternehmens haben kann. Welche Handlungsalternativen für eine Burnout- Prävention genutzt werden, bleibt dem Arbeitgeber überlassen.


 

Literaturverzeichnis

Burisch, M. (2010). Das Burnout-Syndrom. Theorie der inneren Erschöpfung (4. Aufl.). Heidelberg: Springer.

Engbert, K. (2011). Mentales Training im Leistungssport: ein Übungsbuch für den Schüler- und Jugendbereich. Neuer Sportverl..

Götz, V., & Deimel, H. (2013). Entwurf eines verhaltens-und bewegungsorientierten Präventionsprogramms zur Vorbeugung von Burnout im Kontext betrieblicher Gesundheitsförderung. B&G Bewegungstherapie und Gesundheitssport, 29(04), 176-182.

Kempf, H-D. (2010). Die neue Rückenschule. Das Praxisbuch. Heidelberg: Springer.

Korczak, D., Kister, C., & Huber, B. (2010). Differentialdiagnostik des Burnout-Syndroms. DIMDI, Köln.

Längle G. Sport.. In: Rössler W, Hrsg Psychiatrische Rehabilitation. Heidelberg: Springer-Verlag; 2004: 791- 797.

Mutz, M., & Müller, J. (2016). Mental health benefits of outdoor adventures: Results from two pilot studies. Journal of adolescence, 49, 105-114.

Olson, S. M., Odo, N. U., Duran, A. M., Pereira, A. G., & Mandel, J. H. (2014). Burnout and Physical Activity in Minnesota Internal Medicine Resident Physicians. Journal of graduate medical education, 6(4), 669-674.

Rösing, I. (2003). Ist die Burnout-Forschung ausgebrannt? Analyse und Kritik der internationalen Burnout- Forschung (2. Aufl.). Heidelberg: Asanger.

Ryan, R. M., & Deci, E. L. (2000). Intrinsic and extrinsic motivations: Classic definitions and new directions. Contemporary educational psychology, 25(1), 54-67.

Schaarschmidt, U.; Fischer, A.W. (2008): Arbeitsbezogenes Verhaltens- und Erlebensmuster (AVEM). Manual. 3. Aufl. Frankfurt: Pearson Assessment & Information GmbH.

Schmitz, G. S., & Schwarzer, R. (2000). Selbstwirksamkeitserwartung von Lehrern: Längsschnittbefunde mit einem neuen Instrument. Zeitschrift für Pädagogische Psychologie/German Journal of Educational Psychology.

Weigelt, M., Steggemann, Y., Machlitt, D., & Engbert, K. (2012). Sport-und Bewegungstherapie bei psychischen Erkrankungen. PiD-Psychotherapie im Dialog, 13(04), 91-93.

 

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