BGM-Metastudie zur Wirksamkeit von Maßnahmen des Betrieblichen Gesundheitsmanagements (BGM)

Hinweisschilder für „Treppensteiger“ bringen mehr als Rauchverbote

Ein Review über die Wirksamkeit von Maßnahmen im Betrieblichen Gesundheitsmanagement

Was wirkt und was wirkt nicht? Das ist die große Frage auch im Betrieblichen Gesundheitsmanagement? Mittlerweile kann man auf einige Jahrzehnte deutscher und internationaler gesundheitswissenschaftlicher Forschung zurückgreifen und klare Erkenntnisse ziehen welche Maßnahmen große, welche mittlere und welche eine geringe Wirksamkeit haben.

J. Goldgruber und D. Ahren haben in der systematischen Analyse von 17 Reviews (wissenschaftlichen Überblicksarbeiten) nach dem 1.1.2004 einen zusammenfassenden Überblick zur Wirksamkeit von Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung gegeben. Bei ihrem Überblick untergliedern sie in folgende 5 Maßnahmen- bzw. Interventionsbereiche:

  1. Stress,
  2. körperliche Aktivität und Ernährung,
  3. Rauchen,
  4. Ergonomie und Rückenschmerzen sowie
  5. Organisationsentwicklung

 


1. Stressmanagement: Wissensvermittlung & praktisches Ausprobieren

Hierbei konnte die Wirksamkeit von Stressmanagementmaßnahmen konnte in allen untersuchten Arbeiten belegt werden. Besonders kognitiv-behaviorale Maßnahmen, also Maßnahmen, die Wissen vermitteln und im Zusammenhang der Wissensvermittlung Gelegenheit geben das Erlernte praktisch auszuprobieren, also in direktes Verhalten umzusetzen, zeigten die höchste Wirksamkeit.

Entspannungsverfahren, wie autogenes Training oder progressive Muskelrelaxation sind den Studienergebnissen zufolge zwar weniger wirksam als kognitiv-behaviorale Maßnahmen, werden aber öfter angewendet. Die Studien zeigen, dass verhaltenspräventive größere Effekte als verhältnispräventive Maßnahmen haben. Dies ist in erster Linie aber auf die Schwierigkeit der aussagekräftigen Messbarkeit meist komplexer verhältnispräventiver Maßnahmen und deren Wirkungen zurückzuführen.
Ein großes Potential zur Verbesserung der Mitarbeitergesundheit zeigte die Umorganisation der Tätigkeiten, die Reduktion von Arbeitsbelastungen, die Verbesserung der Kommunikation sowie Schulungen im Bereich Konfliktmanagement.

 


2. Körperliche Aktivität & Ernährung: Hinweisschilder & Trainingsprogramme

Bei den Untersuchungen zur Verbesserung der körperlichen Aktivität und des Ernährungsverhaltens konnte festgestellt werden, dass eine Kombination aus beiden Maßnahmenbereichen den größten Erfolg auf Erkrankungen haben, die im Zusammenhang mit Übergewicht stehen, so z.B. Diabetes mellitus Typ 2, Herzkreislauferkrankungen und Erkrankungen des Bewegungsapparates.

Zur Steigerung der körperlichen Aktivität erweisen sich motivierende Hinweisschilder und Trainingsprogramme als besonders wirksam. Darüber hinaus hat man Wellnessprogramme (z.B. Firmenfitnesskurse, Massagen, usw.) in den Unternehmen untersucht. Hierbei wurde in Programme unterschieden, die ausschließlich auf die Steigerung der körperlicher Aktivität abzielten und umfassende Programme, die die Erhöhung der körperlichen Aktivität, Verbesserung des Ernährungsverhaltens und des Stressmanagements zum Ziel hatten.

Ein klares Ergebnis war der Einfluss auf den Absentismus, also die krankheitsbedingte Abwesenheit. Es konnte klar nachgewiesen werden, dass Mitarbeiter, die an organisationalen Wellness- & Fitnessprogrammen teilnehmen weniger oft arbeitsunfähig krank sind als Mitarbeiter die das nicht tun. Darüber hinaus haben diese Programme Einfluss auf die Arbeitszufriedenheit. Das heißt, dass Mitarbeiter, die an den Programmen teilnehmen, mit ihrer Arbeit zufriedener zu sein scheinen, als jene, die das nicht tun. Zur Steigerung der körperliche Aktivität im Unternehmen zeigten Hinweisschildern die Treppe zu nutzen und den Zugang zu Trainingseinrichtungen, wie Fitnesskursen oder -räumen die höchste Wirksamkeit.

Bei der Veränderung des Ernährungsverhaltens zeigten die Verfügbarkeit von gesunden Lebensmitteln, z.B. in der Kantine und dortige Werbung den höchsten Effekt. In 2 von 4 Studien wurden die Essen-Verkaufszahlen durch kombinierte Interventionen aus Informationen, Preisreduktion und gesündere Essenangebote gewählt und als sehr wirksam erachtet. Hier konnte allerdings die Nachhaltigkeit der Maßnahmen nicht eindeutig geprüft werden.

Insbesondere Seminare, Trainings und Workshops zeigten sich als wirksam zur Steigerung körperlicher Aktivität. Um langfristige Verhaltensänderungen zu bewirken, bedarf es allerdings innovativer, kreativer Methoden.

 


3. Rauchen: Verbote bringen nicht viel

Bei den verhaltenspräventiven Maßnahmen zur Raucherentwöhnung (Gruppenseminare, individuelle Beratung, Selbsthilfematerialien, Nikotinersatztherapie)liegt die durchschnittliche Entwöhnungsraten bei 18%. Die nachhaltigen Effekte waren allerdings in Follow Up-Messungen deutlich reduziert. Dies zeigt sich besonders bei Messungen von mehr als 12 Monaten nach der Raucherentwöhnungsmaßnahme.

Bei den verhältnispräventiven Maßnahmen (z.B. Rauchverbote im Betrieb oder Gebäuden, soziale Unterstützung, unterstützende Umfeldbedingungen, Prämien durch Arbeitgeber) konnte allerdings nur eine geringe Wirksamkeit gemessen werden. Es reduzierte sich zwar der Tabakkonsum während der Arbeit, aber der absolute Tageskonsum konnte hierdurch nicht signifikant gesenkt werden.

Anreize durch den Arbeitgeber (Wettbewerbe usw.) erhöhen zwar die Motivation der Mitarbeiter das Rauchen aufzugeben, allerdings hatten sie keinen großen Einfluss auf die tatsächlichen Entwöhnungsraten.

 


4. Ergonomie und Rückenschmerzen: Know-how & selbst eingerichtete Arbeitsplätze

Bei den Untersuchung hinsichtlich des Zusammenhangs von ergonomischen Bedingungen und Rückenschmerzen konnten kombinierte Maßnahmen aus individuellen und auf die Arbeitsumgebung gerichteten Maßnahmen den größten Erfolg zeigen.

Maßnahmen waren hier z.B. Veränderungen der Arbeitsplatzausstattung, der Arbeitsaufgaben, Teams oder der Arbeitsorganisation.

So konnte beispielsweise durch Praxisseminare in denen die Mitarbeiter selbst Belastungsanalysen durchführen und Verbesserungsvorschläge sammeln und umsetzen sollten bzw. ihre Arbeitsplätze gesundheitsförderlich einrichten konnten, Muskel-Skelett-Erkrankungen stärker reduziert werden als in reinen Wissensvermittlungen.

Geringere Effekte hatten diese Maßnahmen jedoch auf die Verletzungen und körperlichen Beschwerden sowie die krankheitsbedingte Abwesenheit. Am häufigsten werden in den Unternehmen Ergonomietrainings und Rücken- bzw. Nackenschulen durchgeführt, Arbeitsplätze angepasst und neue Geräte, z.B. Stühle oder höhenverstellbare Tische oder ergonomische Mäuse angeschafft. Unklar bleibt allerdings, ob Ergonomietrainings, Armstützen, alternative Computertastaturen oder Ruhepausen positive Effekte auf die Muskel-Skelett-Erkrankungen haben. Was jedoch ganz klar nachgewiesen werden konnte ist, das keine dieser Maßnahmen einen negativen Einfluss auf die Gesundheit der Mitarbeiter hatte.

 


5. Organisationsentwicklung: Partizipation & Kontrollmöglichkeiten

Im 5. und letzte Interventionsbereich, den Organisationsentwicklungsmaßnahmen, konnte durch die Studien klar nachgewiesen werden, dass betriebliche Maßnahmen zur Förderung der Mitarbeiterpartizipation und ein Erhöhung der Kontrollmöglichkeiten den Gesundheitszustand der Mitarbeiter verbessern. So haben Aufgabenvielfalt und Teamwork positive Auswirkungen auf das psychosoziale Arbeitsumfeld.

Aber auch für die Erhöhung der Kontrollmöglichkeiten bzw. sozialer Unterstützung in Zusammenhang mit der Senkung von Anforderungen, konnten Effekte auf die psychische Gesundheit, insbesondere die Reduktion von Angstzuständen und Depressionen nachgewiesen werden. Die Interventionen zu Arbeitsvielfalt und Teamwork verbessern zwar das psychosoziale Arbeitsumfeld, jedoch nicht direkt die Gesundheit der Mitarbeiter.

 


Zusammenfassung

Zusammenfassend beschreiben J. Goldgruber und D. Ahren, dass in den untersuchten Reviews über verhaltenspräventive Maßnahmen deutlich stärkere Effekte berichtet werden als über verhältnispräventive, dies allerdings stark auf die aktuell noch Fehlenden geeigneten Studiendesigns zur Messung der Wirksamkeit von Maßnahmen im betrieblichen Gesundheitsmanagement zurückzuführen ist. Hier sind die Wirkungen meist nicht klar zu isolieren und einer ganz bestimmten Maßnahme zuzuschreiben.

Wissenschaftlicher Konsens hingegen besteht darüber, dass Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung und Primärprävention einen wichtigen Beitrag zur Gesunderhaltung der Mitarbeiter leisten. Mit den Maßnahmen können Gesundheitsrisiken gesenkt, Krankheitshäufigkeiten gesenkt und gesundheitsbewusste Verhaltensweisen gefördert werden. Umfassende und langfristig ausgerichtete Programme aus mit unterschiedlichen Schwerpunkten – bestehend aus verhaltens- und verhältnispräventiven Elementen erzielen die höchste Wirksamkeit. Für 68,6% aller analysierten verhaltens- und verhältnispräventiver Maßnahmen konnten gesundheitsförderliche Effekte nachgewiesen werden. Es liegen also ausreichend Nachweise für die Wirksamkeit betrieblicher Gesundheitsförderung vor.

» Hier finden Sie eine Übersicht von weiteren effektiven BGM-Maßnahmen »

 


Autor des Beitrages: Stefan Buchner, MPH und Geschäftsführer UBGM (Unternehmensberatung für Betriebliches Gesundheitsmanagement)

Quelle: J. Goldgruber und D. Ahrens; Präv Gesundheitsf 2009 · 4:83–95 DOI 10.1007/s11553-008-0155-8. Online publiziert: 16. Januar 2009 © Springer Medizin Verlag 2009

 

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