Happy@Work – Stressmanagement bei Pflegekräften

Happy@Work ist nicht nur Titel, sondern auch die Aufgabenstellung eines wissenschaftlichen Projektes. Dieses lässt sich in den Bereich der Positive Occupational Health Psychology eingliedern, d.h. nicht Krankheit und Diagnose sind zielgebend, sondern die Unterstützung eines positiven und gesunden Umganges mit Arbeit und Stress. Happy@Work ist Teil der internationalen Studie „Happy and engaged at work“. Dabei sollen Beschäftigte im Bereich der mobilen Kranken- Alten- und häuslichen Pflege in ihren personalen Ressourcen gestärkt werden, um längerfristig Zufriedenheit, Engagement und ein positives Erleben ihrer Arbeit aufrechtzuerhalten, während chronischer Erholungsbedarf, Müdigkeit und emotionale Erschöpfung (als Risikofaktor für Burnout) sinken.

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Fachkräftemangel in der Pflege

Ein Grund für die Entwicklung einer Intervention für mobile Pflegedienstleister ist natürlich der in der Vergangenheit oft berichtete Pflegenotstand. Im Juli 2012 wird berichtet, dass: „Der Fachkräftemangel in der Pflege ist evident. In einigen Bundesländern kommen auf eine arbeitslose Altenpflegefachkraft über vier offene Stellen. (…) Mittlerweile sind weit über 30.000 Stellen unbesetzt“.
Wie aus diesem Zitat zu entnehmen ist, führt der hohe Fachkräftemangel oft zu einer Überbelastung der Fachkräfte, die mehr Klienten denn je betreuen müssen. So berichten Pflegekräfte häufig von zunehmenden Arbeitsstress (Samia, Ellenbecker, Friedman & Dick, 2012) und weniger Zufriedenheit (Delp, Wallace, Geiger-Brown & Muntaner, 2010). Sie resultieren entsprechend dieser Studie aus unbezahlten Überstunden und der Tatsache, dass sich die Pflegekräfte häufig um mehrere Patienten innerhalb kürzester Zeitabstände kümmern. Hinzu kommen das Gefühl von geringer Wertschätzung seitens der Klienten und arbeitsbezogene Gesundheitsprobleme. Gesundheitliche Probleme bei PflegedienstmitarbeiterInnen finden ihre Ursache oft im Schichtdienst, den Golubic, Milosevic, Knezevic und Mustajebegovic (2009) als einen der größten Stressoren bei Pflegern und Kran- kenschwestern berichten. Schichtarbeit kann zudem Burnoutrisiken steigern (Kandolin, 1993). Besonders Arbeitsnehmer, die in rotierenden Nachtschichtsystemen arbeiten, ältere Mitarbeiter oder Personen mit geringerem Bildungsniveau sind von den oben genannten Problemen betroffen (Pikó, 1999; Golubic et al., 2009).
Angesichts des Bedarfs auf dem Arbeitsmarkt und auch angesichts der wissenschaftlichen Erkenntnisse, ist es notwendig, die personalen Ressourcen von Pflegedienstkräften zu stärken. Dies besonders auch in Anbetracht der hohen Arbeitsunfähigkeitstage im Jahr 2010, wobei 13,3% der Ausfälle in öffentlichen und privaten Dienstleistungen auf psychische oder Verhaltensstörungen zurückzuführen sind. Dies führte das zu einem Produktionsausfall von rund 2 Mrd. Euro, was verdeutlicht, dass auch aus Kostengründen dringend Handlungsbedarf besteht.

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Durchführung der Mikrointervention für unterwegs

Im Zuge der internationalen Studie wurde daher eine positive Mikrointervention entwickelt. Diese setzen auf Ebene des Individuums und nicht auf Ebene der Organisation an und fokussieren die positiven Aspekte von Arbeit (Bakker & Derks, 2010). Die Teilnehmer, in erster Linie mobile Pflegekräfte, erhalten die Aufgabe, jeden Tag über einen gewissen Zeitraum eine kurze Atem- und Achtsamkeitsübung durchzuführen. Sie sollen sich dabei auf ein Arbeitsereignis konzentrieren, dass in ihnen positive Gefühle weckt, dass sie z.B. daran erinnert, warum sie diesen Beruf gewählt haben und das sie darin bestärkt werden, diesen Beruf weiterhin auszuführen.

Auf diesem Wege sollen die Beschäftigten lernen, dass jeder Tag, ist er noch so schwierig gewesen, Positives in sich trägt und dass sie selbst ihre Stimmung und Motivation beeinflussen können. Für diese Übung wurde eigens eine Audiodatei entwickelte, die den Teilnehmern auf mobilen Endgeräten zur Verfügung gestellt wurde. Sie leitet die Beschäftigten einige Minuten lang aktiv an, sich an dieses Arbeitsereignis genau zu erinnern und ist zudem noch ganz individuell und flexibel einsetzbar, da man sie sich als Stress-Check-App downloaden kann. Sie ermöglicht es den Beschäftigten sich ein paar Minuten ganz auf sich selbst zu konzentrieren, eine kurze, selbst gewählte Pause einzulegen und Abstand zum Arbeitsalltag zu gewinnen. Dabei sollen die Teilnehmer nicht in erster Linie entspannen, sondern ihre Kraftreserven wieder auftanken und gestärkt in den weiteren Arbeitstag oder Feierabend gehen. Die Verwendung der App ermöglicht es, sich jederzeit in einem geeigneten Umfeld diese kurze Auszeit zu nehmen.

 


Ziel der Stressmanagement-Intervention

Ziel ist es, mit unserer kurzen Übung Psychological Capital (PsyCap: Hoffnung, Optimismus, Selbstwirksamkeit und Resilienz; Luthans, 2002) zu stärken. PsyCaps dienen als personale Ressource und stärken Lebens- und Arbeitszufriedenheit (Bakker & Demerouti, 2007). Zudem nehmen wir an, dass sie Auswirkungen auf das Arbeitsengagement, proaktives Verhalten, Müdigkeit, chronischen Erholungsbedarf und Burnoutrisiken haben (Leiter und Maslach, 2010). Dass Mikrointerventionen dabei erfolgreich PsyCaps stärken, zeigt Luthans et al. (2006, 2008). Nach Fredrickson et al. (2008) dienen sie ebenso dazu personale Ressourcen und Zufriedenheit zu erhöhen. So wollen wir erreichen, dass die Pflegekräfte, anstelle müde und ausgebrannt, wieder engagierter und zufriedener ihrer täglichen Arbeit nachgehen. Nach Russel und Carroll (1999) können wir dieses Ziel besser erreichen, indem wir die positiven Emotionen in Bezug auf Arbeit jeden Werktag durch eine kleine Übung stärken.
Es ist anzunehmen, dass Personen mit einem höheren Grad an emotionaler Erschöpfung von dieser Intervention profitieren und aktiv ihre personalen Ressourcen auffüllen können (Hoppe, Moralez-Gonzalez, Michel, O’Shea, & Steidle, 2012). Man könnte diese kleine Übung, die sich sehr gut in einer kurzen Pause durchführen lässt, in Form von Gesundheitstrainings (z.B. zur Stärkung von personalen Ressourcen) an Mitarbeiter und Führungskräfte weitergeben. Ganz besonders an diejenigen, die sich durch ihre Arbeit gestresst, ermattet und ausgebrannt fühlen. In diesem Zusammenhang wäre es auch möglich, die Audiodatei als App zur Verfügung zu stellen – in der Pause könnten dann einfach Kopfhörer angeschlossen werden, während die Person sich 5min Zeit für sich und seine/ ihre Gesundheit nimmt. Diese Form des positiven Denkens ist zu jeder Zeit ganz einfach und individuell einsetzbar, um sich wieder der „brightside of work“ bewusst zu werden.

» Den Praxisleitfaden für ein Betriebliches Stressmanagement finden Sie hier »

 


Autorin: Elisa Clauß – Dipl.-Psychologin im Bereich Arbeitspsychologie & Junior-Professorin für Systematische Beratung

Unser Kooperationspartner, die Humbolt-Universität Berlin sucht Unternehmen zur Teilnahme an einer Studie zum Stressabbau:
Zur internationalen Studie “Zufrieden und engagiert bei der Arbeit“: http://macs2.psychologie.hu-berlin.de/wellbeingatwork/

 


Mehr Informationen zum Thema finden Sie hier:

Aktuelle Statistiken:
Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste (2012). Zehntausende Pflegefachkräfte fehlen und die Arbeitsagentur streitet mit den Ländern. www.bpa.de/Aktuelles.112.0.html 7251b669e83a999f64fdbca75cf00f (abgerufen am 15.12.2016)

Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (2015). Volkswirtschaftliche Kosten durch Arbeitsunfähigkeit 2013. Als PDF verfügbar unter
www.baua.de/de/Informationen-fuer-die-Praxis/Statistiken/Arbeitsunfaehigkeit/Kosten.html (abgerufen am 15.12.16)

 


Ausführliche Beiträge: Thema Occupational Health Psychology und Mikrointerventionen

Leka, S., & Houdmont, J. (Eds.) (2010). Occupational Health Psychology. Chichester: Wiley- Blackwell.

Hoppe, A., Moralez-Gonzalez, G., Michel, A., O’Shea, D., & Steidle, A. Looking at the bright side of work: A day level positive psychology intervention for administrative staff. Paper presented at the 10th Conference of the European Academy of Occupational Health Psychology, April 11-13, 2012, Zürich, Switzerland.

O’Shea, D., Moralez-Gonzalez, G., Hoppe, A., Michel, A. Investigating the effects of daily positive psychology interventions for the enhancement of well-being in administrative staff. Paper presented at the 5th International Seminar on Positive Occupational Health Psychology, June 7 & 8, 2012, Dublin, Ireland.

 


Kostenlose Tools zur Anwendung:

Checklist „Need for Recovery“ zur Erkennung von Erholungsbedarf, ersten Anzeichen von Erschöpfung und Müdigkeit. Aus Velhoven, M. van, & Broersen, S. (2003). Measurement quality and validity of the „need for recovery scale“. Occupational and Environmental Medicine, 60(1), 13-19.

 


Mehr Links zum Thema finden Sie hier:

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