Selbstgemachter moderner Kommunikationsstress: Sind wir informations- bzw. internetsüchtig?

Der Handywecker klingelt – der erste Blick auf das Display verrät, was die Freunde am letzten Abend und in der Nacht erlebt haben. Danach folgt ein kurzer Check, welche Ereignisse die Welt aktuell beschäftigen und wie das Wetter heute werden soll. Das Internetradio spielt die passende Musik zum Frühstückskaffee und währenddessen rechnet die Bahn-App aus, wie lange der Anfahrtsweg zum Kunden sein wird. Die Adresse ist unbekannt? Kein Problem, denn Google Maps kennt fast jeden Weg.

 


Online sein – Segen oder Fluch?

Das Internet erscheint uns unersetzbar. Dank verbreiteter Internetanschlüsse und günstiger Flatrate Tarife ist fast jeder Haushalt in Deutschland an das World Wide Web angeschlossen. Durch die Erfindung des Smartphones und Tablets können wir uns jederzeit und ortsunabhängig mit dem Internet verbinden. Der Nutzen ist riesig und die Verlockung allgegenwärtig. Das Internet bietet uns eine Unmenge an Möglichkeiten. In komprimierter Form werden uns die wichtigsten Informationen bequem mitgeteilt. Wir können uns mit anderen Menschen auf der ganzen Welt vernetzen, mit ihnen Spiele spielen oder den gemütlichen Abend zu Hause mit Filmen und Musik aus dem Internet ergänzen. Auch die Arbeitswelt wurde durch das Internet revolutioniert. Die Briefpost wird schon lange durch Emails ersetzt. Meetings finden nicht mehr zwingend an einem Ort statt, sondern werden via Skype zusammen geschaltet.
Die Frage ist, wann ist das ständige Online sein kein Segen mehr, sondern wird zu einem Fluch? Experten sprechen davon, dass ca. 1 Prozent der deutschen Bevölkerung zwischen 14 und 60 Jahren onlinesüchtig ist (Studie der Uni Lübeck & Greifswald). 2,5 Millionen Menschen in Deutschland werden nach neusten Umfragen als „anfällig“ für die Internetsucht eingestuft. Doch ab wann kann von einer „Sucht“ gesprochen werden? Ein wichtiges Kriterium ist die verbrachte Zeit am Computer bzw. im Internet. Wenn dadurch Freunde, Familie und Arbeit vernachlässigt werden, kann dies ein erstes Anzeichen für eine Internetsucht sein. Ein weiteres Indiz für eine ungesunde Nutzung des World Wide Webs ist das Schlaf- und Essverhalten. Die Nahrungsaufnahme wird in manchen Fällen ganz vergessen oder geschieht nebenbei. Psychologen betonen, dass eine Internetsucht mit einem Leidensdruck verbunden sein muss. Dieser entsteht oft, wenn die Kontrolle über das eigene Verhalten nicht mehr gegeben ist. Betroffene nutzen das Internet nicht mehr, weil es Ihnen einen Nutzen bringt, sondern Sie verspüren einen inneren Drang, der sie dazu zwingt den Browser zu starten. Wie bei jeder anderen Sucht verliert die Logik ihre Bedeutung und Menschen werden zu nicht nachvollziehbaren Verhaltensmustern motiviert. In solchen Fällen wird dazu geraten eine Beratungsstelle aufzusuchen. In Berlin wurde hierzu Lost in Space eingerichtet (http://www.computersucht-berlin.de). Menschen, die sich selbst als Internet kommunikationssüchtig, downloadsüchtig, spielsüchtig oder informationssüchtig einstufen, wird hier geholfen.
Natürlich ist nicht jeder „krank“, der viel Zeit im Internet verbringt. Neben der reinen Zeit, die online verbracht wird, ist außerdem wichtig zu diagnostizieren, mit welcher Bewertung das Medium genutzt wird. Kann die Realität und die Internetwelt voneinander getrennt werden? Oder verschwimmen die Universen miteinander?
Ob Sie selbst eine Tendenz zur Internetsucht zeigen, können Sie ganz einfach prüfen, indem Sie sich die folgenden Punkte durchlesen. Falls Sie alle Punkte bejahen, lohnt es sich ggf. mehr Informationen zum Thema Internetsuch einzuholen.

 


Indizien der Internetsucht

1. Sie checken Ihre E-Mails, Facebook, News oder andere soziale Netzwerke zum ersten Mal noch vor dem Frühstück und zum letzten Mal direkt vor dem Schlafengehen abends im Bett.
Sie sind ständig mit Ihrem Mobilgerät online, wenn Sie nicht zu Hause oder im Büro sind.
Sie sitzen lieber vor dem Computer, anstatt nach draußen zu gehen, Sport zu machen oder Zeit mit anderen Menschen zu verbringen.
2. Wenn Sie sich doch mit anderen Menschen treffen, posten Sie neue Statusmeldungen bei Facebook, Twitter oder Instagram und schreiben ständig SMS und Emails.
Wichtige Arbeit bleibt bei Ihnen liegen, weil Sie Ihre Nachrichten checken müssen und keine Zeit für andere Sachen haben.
3. Sie können sich beim besten Willen nicht vorstellen, einen ganzen Tag offline zu verbringen.
Es macht Sie unruhig, wenn Sie für ein paar Minuten offline sind.

Sollten Sie eine Vielzahl dieser Fragen für sich mit „Ja“ beantwortet haben, so sollten Sie diesen genaueren Test durchführen:

» Hier kommen Sie zum Selbsttest Internetsucht des vom BMG geförderten Projekts OASIS »


Sie haben gemerkt, Sie verbringen zu viel Zeit im Internet? Hier sind einige hilfreiche Tipps, wie Sie ihr Verhalten Schritt für Schritt verändern können. Sie sollten sich dabei Zeit lassen, denn Veränderung im Verhalten müssen sich manifestieren und brauchen viele Wiederholungen. Nur so verinnerlicht unser Gehirn die neuen Strukturen und Sie können langfristig lästige Gewohnheiten ablegen.

 


Tipps zur Verhaltensänderung bei Anzeichen zur Internetsucht

Im folgenden Verlauf finden Sie hilfreiche Tipps, um erste Anzeichen einer Internetsucht zu erkennen und aufgebaute Verhaltensmuster gezielt wieder aus Ihrem Gehirn zu lösen.

Schritt 1 : Beobachten Sie sich selbst

Wann kommt es am häufigsten zu dem ungewollten Surfen? In der Mittagspause sind Sie nur auf Facebook anstatt mit den Kollegen zu sprechen? Vor dem Erledigen einer wichtigen Aufgabe schauen Sie nochmal die neusten Musikvideos an? Picken Sie sich den häufigsten Auslöser heraus und schreiben Sie ihn sich auf.

Schritt 2: Ersetzen Sie die alte Gewohnheit

Was möchten Sie tun, anstatt der gewohnten Internetsucht nachzugehen? Diese neuen Tätigkeiten sollten einfache Dinge sein, die Sie innerhalb von 5 Minuten umsetzen können. Wichtig ist, dass die neue Tätigkeit für Sie positiv besetzt ist. Wollen Sie vielleicht die Zeit in Bus und Bahn anstatt in Internet zum Meditieren nutzen? Oder trinken Sie einfach ein Schluck Wasser, wenn der Drang zum Browser-Öffnen kommt? Seien Sie kreativ und entwickeln Sie Ihren eigenen persönlichen Gewohnheitskiller.

Schritt 3: Seien Sie konsequent

Wenn Sie Ihre Gewohnheit wirklich verändern möchten, müssen Sie den neuen Auslöser konsequent einsetzen. Ansonsten wird Ihr Gehirn die alte Konditionierung nicht überschreiben. Seien Sie also schlauer als Ihre grauen Zellen und übernehmen Sie wieder die Kontrolle über Ihr Verhalten.

 


Gekonnt offline gehen

Niemand in der modernen Welt bleibt davon verschont für sich selbst das richtige Maß am Onlinesein heraus zu finden. Damit das Surfen gar nicht erst die Überhand gewinnt, sollen Ihnen folgende Punkte helfen, gesund mit dem Internet und den bereitstehenden Ressourcen umzugehen:

  • Nehmen Sie sich Zeit für „Offline-Aktivitäten“: Beim Sport, im Restaurant oder im Kino brauchen Sie sicherlich kein Internet
  • Arbeiten Sie ungestört: Priorisieren Sie Ihre Tagesziele – Was ist heute am wichtigsten? Was will ich erledigen? Stellen Sie hier akustische Signale von Emails aus und konzentrieren Sie sich voll auf ihre Arbeit.
  • Planen Sie eine bestimmte Zeit für die Informationsquellen ein: Sie möchten sich täglich updaten, was auf der Welt passiert? Blockieren Sie sich hierfür feste Zeiteinheiten, die Sie nur dafür nutzen.
  • Überlegen Sie gut, welche Quellen Sie wirklich brauchen: Ist jedes Abrufen einer Seite für Sie mit einem Nutzen verbunden? Oder ist das Surfen mehr zu einer festen Gewohnheit geworden? Reduzieren und selektieren Sie clever.
  • Ihre Aufmerksamkeit ist wichtig: Sie verbringen die Pause mit den Kollegen – schenken Sie Ihnen Ihre Aufmerksamkeit und nicht dem Telefon! Sie haben sich einen leckeren Kaffee gegönnt? Wie gut fühlt es sich an, wenn die warme Flüssigkeit den Magen erreicht? Der Moment kann sehr reich sein, Sie müssen Ihm nur die Aufmerksamkeit schenken.

Mehr Links zum Thema finden Sie hier:

» Mehr zum Thema Stressmanagement im Unternehmen & Work-Life-Balance erfahren Sie hier in unseren Praxisleitfäden »

» Hier geht es zu unserem Selbstmanagement-Seminar Das Superhelden-Prinzip »

» Unser Seminar zum Thema Berufliches & persönliches Stressmanagement finden Sie hier »

Hilfreiche Internetseiten zur Internet- bzw. Kommunikationssucht: http://www.computersucht-berlin.dehttps://www.onlinesucht-ambulanz.de

 


 

4.29/5 (7)

Diesen Artikel bewerten