Armut durch den Verlust oder eine Einschränkung der Erwerbstätigkeit
Krankheit durch Armut ist ein wesentliches Problem unserer Gesellschaft, das berechtigterweise in Forschung und Lehre viel Beachtung findet. Das Phänomen Armut durch Krankheit dagegen ist zwar ebenso bekannt, findet sich jedoch in der Literatur seltener erläutert (vgl. Sailer-Pfister 2013, S. 59). Armut, die durch Krankheit verursacht wurde, wirkt sich umgekehrt auch ungünstig auf die Gesundheit aus und führt zu einer weiteren Verschlechterung und Verarmung. Dadurch finden sich durch Krankheit in Armut Geratene schnell in einem Circulus vitiosus (vgl. Enke 2012, S. 18-20).
Im mittleren Lebensalter entsteht Armut durch Krankheit meist durch den Verlust oder eine Einschränkung der Erwerbstätigkeit (vgl. Lampert u.a. 2007, S. 44). In diesem Zusammenhang könnte ein wirkungsvolles Betriebliches Eingliederungs- management eine geeignete Maßnahme sein dem Armutsrisiko entgegenzuwirken. Dabei bildet das Betriebliche Eingliederungsmanagement neben Arbeits- und Gesundheitsschutz sowie betrieblicher Gesundheitsförderung eine der drei Komponenten des Betrieblichen Gesundheitsmanagements, die in diesem Zusammenhang alle ihre Bedeutung und Berechtigung haben (vgl. Rexrodt 2005, S. 65).
In dieser Arbeit wird erörtert, ob das Betriebliche Eingliederungsmanagement tatsächlich dazu geeignet ist, Armut durch Krankheit zu verhindern und ob dieses Mittel entsprechend eingesetzt wird. Ein bedeutsamer Grund dieser Fragestellung nachzugehen, rührt von den zu beobachtenden Veränderungen der Gesellschaft und Arbeitnehmerzusammensetzung. Es besteht die Vermutung, dass demographische Veränderungen sowie die Zunahme an psychischen Erkrankungen die Forderungen an das Betriebliche Eingliederungsmanagement weiter erhöhen (Marschall et al. 2016, S. 16, S. 22). Grundlage der Studienarbeit bildet die Literatur- und Internetrecherche.
Was bedeutet Betriebliches Eingliederungsmanagement?
Mit § 84 Abs. 2 SGB IX verpflichtet der Gesetzgeber seit 2004 Unternehmen, ein Betriebliches Eingliederungsmanagement – im Folgenden BEM genannt – allen Mitarbeitern anzubieten, die mit oder ohne Unterbrechungen sechs Wochen krankheitsbedingt arbeitsunfähig waren. Damit überträgt der Gesetzgeber den Unternehmen die Verantwortung für ihre Beschäftigten. Die Freiwilligkeit der Teilnahme seitens der Mitarbeiter setzt deren Mitwirkung voraus. BEM hat das Ziel Arbeitsunfähigkeit zu überwinden, erneuter Arbeitsunfähigkeit vorzubeugen und den Arbeitsplatz zu erhalten. Damit bedeutet § 84 Abs. 2 SGB IX einen Eingriff des Gesetzgebers in betriebliche Beschäftigungspolitik zu Gunsten gesundheitlich eingeschränkter Arbeitnehmer (vgl. Niehaus 2008, S. 110 f.).
Armut durch Krankheit
Der Schwellenwert für Armutsgefährdung liegt bei einem Einkommen, das 60 % des Medianeinkommens unterschreitet. Dies lag in Deutschland 2014 bei 11.840 €. Entsprechend galt eine Person als armutsgefährdet, wenn ihr Nettoäquivalenzeinkommen bei unter 987 € pro Monat lag. 2014 waren in Deutschland 16,7 % der Bevölkerung hiervon betroffen (vgl. Bundeszentrale für Politische Bildung 2016, S. 170-171). Die Ursache „Erkrankung, Sucht, Unfall“ zählte mit 12,1 % im Jahr 2014 als dritthäufigster Hauptauslöser für Überschuldung (vgl. ebd., S. 168). Chronische Krankheit und Behinderung sind eine Ursache für geringe Einkommen, da dieser Personengruppe der Zugang beziehungsweise die Rückkehr zur Arbeitswelt erschwert ist. Arbeitslosigkeit ist bei diesem Personenkreis besonders häufig anzutreffen (vgl. Lampert et al. 2007, S. 44).
„Aus psychischen Erkrankungen resultieren Verarmungs- und Ausgrenzungsprozesse“ (Schneider 2016, S. 80). 20 % der Bevölkerung zählten 2014 als von Armut oder sozialer Ausgrenzung betroffen (vgl. Bundeszentrale für Politische Bildung 2016, S. 172 ). Abgesehen vom ökonomischen Aspekt kann jemand, der krank ist, schon deswegen als arm gelten, weil er Gesundheit als Statussymbol verloren hat beziehungsweise Gesundheit nicht aufweisen kann (vgl. Proft 2013, S. 35).
Damit kann festgehalten werden, dass Krankheit ein Grund für Armut sein kann. Es stellt sich weiterhin die Frage, wie Armut durch Krankheit im mittleren Lebensalter bestmöglich vermieden werden kann und ob BEM hier ein geeignetes Mittel ist (vgl. Enke 2012, S. 19).
Chancen und Möglichkeiten des BEM
Es werden zunächst verschiedene Ansatzpunkte betrachtet, die im BEM eingesetzt werden können. Diese werden unterschieden in tätigkeitsbezogen, personenbezogen und bezogen auf das soziale Umfeld. Zu einem überwiegenden Anteil werden bisher Arbeitshilfen und ergonomische Verbesserungen am Arbeitsplatz eingeführt um die Rückkehr an den Arbeitsplatz zu ermöglichen oder zu erleichtern (vgl. Niehaus 2008, S. 68, S. 87).
Ebenfalls häufig zum Einsatz kommt der stufenweise angelegte Reintegrationsprozess nach dem „Hamburger Modell“ nach § 74 SGB V bzw. § 28 SGB IX zur Anwendung (vgl. Hakimi 2015, S. 236).
Sehr vielversprechend sind Rehabilitationsmaßnahmen, die volkswirtschaftlich zu einer deutlichen Reduzierung der Krankheitsfolgekosten führen. Grundsätzlich sind stationäre, ambulante sowie berufsbegleitende Rehabilitationen möglich, wobei Arbeitgeber zuletzt genannte Variante bevorzugen. Bei Arbeitnehmern in Klein- und Mittelständischen Unternehmen (KMU) muss anstatt des Betriebsarztes der Hausarzt das Prozedere in Richtung Reha begleiten (vgl. Gebauer 2007, S. 2 ff.). Ziel ist, den Rehabilitanden auf körperlicher, kognitiver und sozialer Ebene wieder zu Selbständigkeit und Teilhabe am beruflichen wie sozialen Leben zu begleiten (vgl. Niehoff / Abholz 2011, S. 155 f.).
Besondere Bedeutung hat die Rehabilitation für ältere Arbeitnehmer und sollte im Sinne von „Reha vor Rente“ so oft wie nötig und möglich zum Einsatz kommen. „Im internationalen Vergleich sind in Deutschland nur 38,4 %, dagegen in Schweden, der Schweiz und den USA deutlich über 60 % der 55-jährigen und Älteren noch im Erwerbsleben“ (Seiter 2005, S. 84)…
Die gesamte wissenschaftliche Untersuchung zu BEM & Altersarmut können Sie hier kostenlos downloaden.
Autorin: Andrea Schwaderlapp, UBGM-Berater & Auditorin