Betriebliches Eingliederungsmanagement in Krisenzeiten

Verlieren Sie ihre Mitarbeiter nicht aus den Augen

In der aktuellen Krisensituation von Covid 19 arbeiten viele Mitarbeitenden im Home-Office oder im Rahmen von Kurzarbeitprogrammen gar nicht. Dies führt unweigerlich zu einer drastischen Abnahme sozialer Kontakte.

 


Soziale Kontakte als „Hygienefaktor“ fehlen

Aber gerade diese sozialen Kontakte und das gute Verhältnis zu den Kollegen sind für viele Kollegen*innen Hauptgründe warum sie noch gern zur Arbeit gehen (vgl. EY-Jobstudie 2017, Stand: 9.6.2020). In der aktuellen Krisenzeit fehlt dieser „Hygienefaktor“ oft komplett und damit dann oft auch ein Großteil des „sozialen Gehaltes“. Das kann auf Dauer zu Motivationseinbrüchen oder psychischen Belastungen führen.

Info:

März 2020: Die „Kaiser Family Foundation“ befragte in den USA 1226 Erwachsene zur deren psychischen Gesundheitszustand. Hier gaben 45% der Teilnehmer an, dass sich die Corona-Pandemie auf dieses auswirkt. 19% gaben sogar an, dass diese sich stark auswirkt.


Einsam zu Hause

Diese Situation ist für alleinstehende und alleinlebende Mitarbeiter*innen besonders schwer zu ertragen, denn die Kollegen*innen sind oft die einzigen sozialen Kontakte, die sie haben. Fallen diese weg, kommt es schnell zur sozialen Isolation und mittelfristig zu Zeichen der Vereinsamung.

Aufgrund der aktuellen Distanz bekommen die Betriebe, in erster Linie die Führungskräfte, davon nichts mit. Selbst bei regelmäßigem Kontakt per Telefon oder Videokonferenzen verlangt es einem Vorgesetzten schon eine hohe Sozialkompetenz und Einfühlungsvermögen ab, hier Warnsignale zu erkennen.

Info:

Februar/ März 2020: Nordamerikanische Telefonseelsorge-Dienste in den USA meldeten einen Anstieg an Hilfesuchenden von rund 300% im Vergleich zu 2019.


Psychisch Erkrankte im Stich gelassen

Auch psychisch vorbelastete Mitarbeiter, die vielleicht schon durch überdurchschnittlich erhöhte Fehlzeiten auffällig geworden sind oder im Rahmen eines betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) Unterstützung erhalten haben, erhalten in der aktuellen Krisenzeit meist gar keine oder nur unzureichend Unterstützung oder Therapieangebote. Dies ist meist auf das eigene Vermeidungsverhalten zurück zu führen. Aus Angst vor einer Ansteckung mit dem Corona-Virus bleiben diese Menschen verstärkt zu Hause und nehmen auch Therapieangebote nicht mehr wahr. Durch „social distancing“ verlieren sie ebenfalls den Kontakt zu guten Freunden, mit denen Sie sich sonst in Krisensituationen austauschen konnten.

Info:

April 2020: Die Medizinische Hochschule Hannover befragte 3,545 Personen zu ihrem aktuellen psychischen Wohlbefinden – es herrschte zu dieser Zeit eine strikte Kontaktsperre. Über 50% der Studien-Teilnehmer gab an, im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit gereizter zu sein und 29% sagten, dass sie ein höheres Maß an Agressionen verspürten und sich auch schneller aufregten.


Risiko von „Corona-Suizid“ wächst

Es ist zwar noch nicht statistisch klar nachgewiesen, doch es gibt Vermutungen, dass die aktuelle Krisensituation dazu beiträgt, dass die Anzahl der Suizide aufgrund von Angststörungen und Depressionen ansteigt bzw. ansteigen wird. Der Charite-Rechtsmediziner Prof. Michael Tsokos spricht in diesen Fällen bereits von einer speziellen Form des Selbstmordes, dem „Corona-Suizid“. Klare statistische Belege für einen solchen Anstieg gibt es zum aktuellen Zeitpunkt zwar noch nicht, doch auch Christoph Pieh, Professor für psychosomatische Medizin und Co-Autor einer Studie der Donau Universität Krems zum diesem Thema in Österreich mit einer repräsentative Stichprobe von 1009 Personen, vermutet eine Dunkelziffer bei den psychischen Erkrankungen und teilt mit „Es hat definitiv eine Zunahme depressiver Erkrankungen gegeben“.

Info:

April 2020: Eine Studie der Donau Universität Krems in Österreich befragte  1009 Österreicher. Hierbei gaben 20% der Befragten an, an „depressiven Verstimmungen“ zu leiden. Im Vorjahr waren 4%. Die Zahl der Menschen mit Angstsymptomen stieg von 5% auf 19%.


Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) „auf Eis gelegt“

Umso verheerender ist, dass gerade jetzt in vielen Unternehmen das gesetzlich vorgeschriebene betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) pausiert bzw. ausgesetzt wird. Die Gründe hierfür reichen von Kontaktsperren, Kurzarbeit, über Arbeiten im Home-Office bis hin zu wirtschaftlichen Einsparungensprogrammen. Doch das kann fatale Konsequenzen haben und dazu führen, dass bei einer Rückkehr ins Büro vielleicht ein Kollege oder eine Kollegin nicht mehr an den Arbeitsplatz zurück kommt.


Externe BEM-Dienstleister können helfen

Betriebliches Fallmanagement im Rahmen von BEM kann und sollte gerade in Corona-Zeiten aufrecht erhalten bleiben, um den Mitarbeitern auch über diese gesetzlich vorgeschriebene Maßnahmen einen Raum für Gespräche und Unterstützungsangebote geben zu können. Suchen sie also gerade jetzt den Kontakt zu ihren Mitarbeitern und nehmen sie Kontakt zu ihnen auf. Viele Betriebe und Unternehmen entscheiden sich hier auch für die Unterstützung von professionellen BEM-Dienstleistern bzw. externen BEM-Beauftragten.

Wichtig:

Sie stecken selbst in einer emotionalen Notlage oder haben Selbstmordgedanken?

Wenden Sie sich bitte an diese Stellen. Hier finden Sie Hilfe!

Hilfe finden in Ihrem Land: https://www.befrienders.org/

Deutschland: Telefonseelsorgedienst – kostenfreien Nummern 0800/111 0 111 und 0800/111 0 222


Autor: Stefan Buchner, Master of Public Health & Dipl. Pädagoge

 


Quellen: