Die Erkältungssaison steht in diesen Tagen vor der Tür und viele Arbeitnehmer wollen nun aus der Mücke keinen Elefanten machen. Der kleine Schnupfen wird ignoriert und gegen Kopfschmerzen und das erste leichte Fieber wird eine Tablette eingenommen. Die nackten Zahlen des Phänomens „Präsentismus“ und seine Folgen stellt die DAK-Gesundheit im Rahmen ihres Gesundheitsreportes 2014 vor. Im Auftrag der Krankenkasse befragte das Forsa-Institut in einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage etwa 3.200 Männer und Frauen zu ihrem Verhalten bei Krankheit. Heraus kam, dass nahezu zwei Drittel aller Arbeitnehmer zur Arbeit gehen, obwohl sie eigentlich krank sind. Ein Großteil der Menschen zwischen 25 und 40 Jahren sehen sich zu diesem Schritt gezwungen und vor allem die Arbeitnehmer zwischen 30 und 40 Jahren, die sich in ihrer Karriere-Rushhour befinden, leiden an Präsentismus. In Zahlen ausgedrückt bedeutet dies: 36 Prozent der Befragten ging an drei bis zehn Tagen krank zur Arbeit, bei jedem Sechsten waren es laut Studie elf bis 20 Tage.
Präsentismus durch Kenntnis der Ursachen verhindern
Wer den Präsentismus in seinem Unternehmen Einhalt gebieten möchte, der muss verstehen, warum Arbeitnehmer zu diesem Verhalten neigen. In der DAK Gesundheit-Studie fällt auf, dass besonders Menschen mit drei oder mehr Kindern dazu neigen, krank an den Arbeitsplatz kommen: 60% dieser speziellen Gruppe gab an, drei bis 20 Tage im Jahr krank gearbeitet zu haben. „Viele haben schlicht Angst, dass eine Krankschreibung ihren Job gefährden könnte“, erklärt Frank Meiners, Diplom-Psychologe bei der DAK-Gesundheit. „Arbeitnehmer mit Kindern haben zudem oft den Eindruck, sie fehlen schon häufig wegen Krankheit der Kinder. Deshalb machen manche Abstriche bei sich selbst.“ Wenn die Arbeit sich häuft und man selbst krank wird, nachdem die Kinder endlich wieder gesund sind, dann trauen sich viele Elternteile nicht, noch einmal zu fehlen. Wer leistungsabhängig bezahlt wird, hat einen weiteren Grund krank zu arbeiten, den finanziellen Aspekt. Die Folgen des Präsentismus sind jedoch für Arbeitgeber wie Arbeitnehmer fundamental und zeigen, dass sich die Aufopferung für den Job nicht lohnt.
Folgen des Präsentismus
Der Umfang und die vielfältigen Ausprägungen des Präsentismus sind in dem Standardwerk „Präsentismus – Ein Review zum Stand der Forschung“ von M. Steinke und B. Badura festgehalten. So zeigt das Paper, dass es viele Studien gibt, die sich mit den Folgen des Präsentismus beschäftigen. Die Ergebnisse dieser Studien zeigen, dass sogenannte „Präsentisten“ ein erhöhtes Risiko haben, ab Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu erkranken. Zudem können die Belastung während einer Krankheitsphase und die fehlende Phase der Regeneration dazu führen, dass die Arbeitnehmer vom Präsentismus in einen Absentismus rutschen. Nachdem sie also trotz Krankheiten wenig Fehlarbeitstage hatten, fehlen sie anschließend einen umso längeren Zeitraum. Sowohl für die Gesundheit des Betroffenen wie auch für die Planung des Unternehmens sind beide Zustände unhaltbar. Es gibt einige Gründe dafür, dass Arbeitgeber bewusst und aktiv gegen den Präsentimus arbeiten sollten.
3 Gründe gegen Präsentismus vorzugehen
Was als heroischer Arbeitseifer gedeutet werden könnte, ist für alle Betroffenen ein Verlustgeschäft, wie nun exemplarisch dargestellt werden soll.
Längere Pausen und Überlastung lassen die Kosten steigen
Besonders interessant zu dem Aspekt der Kosten des Präsentismus ist die Bank One-Studie (1999). Hierbei wurden 1.601 Kundendienstmitarbeitern zu verschiedenen Punkten des Präsentismus befragt. Das Wissenschaftsteam Burton et al. (siehe: BAuA-Review zum Präsentismus) haben hier den Produktivitätsverlust untersucht, der durch Absentismus und Präsentismus bedingt ist.
Hierbei ist der Worker Productivity Index (WPI) wichtig. Dieser Index gibt an, wie viele effektive Arbeitsstunden pro Woche durch Präsentismus verloren gehen. Laut der Bank One-Studie arbeiten Mitarbeiter mit Magen-Darm-Erkrankungen nur 60% ihrer regulären Arbeitszeit effektiv. Bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden werden so nur 24 Stunden effektiv gearbeitet. Die restliche Zeit vergeht mit krankheitsbedingten Pausen. Gefolgt wird dieser erste Platz von Verletzungen und Atemwegserkrankungen. Außerdem werden in dem Review die gesundheitlichen Folgen des Präsentismus aufgeschlüsselt. Die Untersuchungen von Goetzel (et al., 2004) zeigen, dass Mitarbeiter durch fehlende Regeneration beispielsweise an Kopfschmerzen, psychischer Belastung und Bluthochdruck leiden. Auch das schränkt die Produktivität der Arbeitnehmer ein, so dass das Fehlverhalten des Betroffenen zu Lasten des Unternehmens geht.
Wie kann man Präsentismus stoppen?
Der erste Schritt gegen den Präsentismus, aber auch Absentismus, ist das effektive Betriebliche Gesundheitsmanagement (BGM). Wer erfolgreich auf dem Markt agieren möchte, der hat heute auch die Gesundheit seiner Mitarbeiter im Blick – denn mit deren Motivation und Produktivität steht und fällt ein Unternehmen. Es gilt durch verschiedene Maßnahmen und eine offene Mitarbeiterkultur das Bewusstsein der Mitarbeiter dahingehend zu stärken, dass sie Erkrankungen nicht als Niederlage und Einschränkung ihrer Arbeitskraft verstehen. Die häufigsten Ursachen des Präsentismus zeigen, dass Arbeitnehmer vor allem Angst haben, ihre finanzielle Lage und ihre Stellung im Unternehmen zu gefährden. Genau diese Angst muss ihnen genommen werden. Hierbei kommt es vor allem auf das Verhalten der oberen Führungsetagen an, denn auch diese müssen diese positive Unternehmenskultur und die Ziele des BGM wertschätzen und leben.
Fazit: Präsentismus ist eine Kopfsache
Die Ausführungen zeigen, dass Präsentismus durch ein stringentes Betriebliches Gesundheitsmanagement verhindert werden kann. Wer sich krank melden kann, ohne das Gefühl zu haben, dass er dadurch finanzielle und berufliche Nachteile haben wird, der kann sich in Ruhe regenerieren und früher wieder fit an den Arbeitsplatz zurückkehren. In den zuständigen Institutionen wird an einem Maßnahmenkatalog gearbeitet, der Unternehmen als Leitfaden dienen soll. Mit speziellen Schulungen und Workshops für BGM-Beauftragte und Führungskräfte kann man im Unternehmen eine bewusste Haltung zu diesem Phänomen schaffen und Mitarbeiter zu einer gesünderen Lebenshaltung führen.
Literaturtipps zum Thema Präsentismus:
M. Steinke, B. Badura: Präsentismus: Ein Review zum Stand der Forschung.
1. Auflage. Dortmund: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin 2011.
Präsentismus-Studie im DAK-Gesundheitsreport 2014
Hier finden sich weiterführende Literatur und Verweise auf Studien.