Krisen-Resilienz: Fit für Krisen-Zeiten

Die Folgen von Corona & Ukraine-Krieg auf die Psyche

Nach fast genau zwei Jahren in der Pandemie und anhaltendem Ukraine-Krieg ist nun auch die Homeoffice-Pflicht entfallen. Viele Beschäftigte kommen wieder zurück ins Büro. Während einige eine eher isolierte und einsame Zeit erlebten, waren andere Familien durch Schulschließungen permanent zusammen. Was haben sie im Homeoffice erlebt, mit welchen Problemen und Herausforderungen waren sie konfrontiert? Wie ist es ihnen mental ergangen und was kann ihnen helfen, um nun wieder in den Alltag zu finden?

Umstellung ins Homeoffice

Kurz dem Postboten beim Tragen helfen, die Waschmaschine in der Mittagspause starten oder mal eben schnell die Kinder aus der Schule abholen – all diese Dinge sind im Homeoffice möglich und in vielen Haushalten inzwischen Normalität geworden. Durch die Corona Pandemie ist in kurzer Zeit ein Großteil von Mitarbeitenden in das Büro Zuhause gewechselt. Laut einer repräsentativen Befragung des Bundesinstituts für Arbeit und Soziales sind im Sommer 2020 rund 36% der Beschäftigten ständig oder teilweise ins Homeoffice gewechselt[1]. Auf den ersten Blick birgt das Homeoffice auch viele Vorteile und neue Möglichkeiten: keine langen Fahrtwege mehr durch den Stau in der Stadt, eine bessere und unkompliziertere Planung und Einteilung von Beruf und Privatleben und, während der Pandemie auch ganz eindeutig, der Schutz vor einer Infektion im Büro.

Doch eine solche Umstellung ist oft schwieriger als gedacht und auch mit einigen Komplikationen verbunden. Zum einen findet eine Umstrukturierung von Arbeitsprozessen und -methoden statt. Je nachdem wie digital ein Unternehmen aufgestellt ist, kann diese Umstellung größer oder kleiner ausfallen. Dabei können Schwierigkeiten mit der Technik auftreten: Ist die vorhandene Hard- und Software ausreichend für die Arbeit von Zuhause? Reicht meine Internetverbindung aus? Auch Probleme mit der Einrichtung des Arbeitsplatzes sind zu bewältigen: Ist mein Platz ergonomisch genug? Habe ich genügend Platz, Licht und Raum zum Arbeiten?

Risikofaktor psychische Erkrankungen

Der „DAK-Psychoreport 2022“ zeigt deutlich, dass die Corona-Pandemie ihre Spuren hinterlassen hat. Die Erkrankungsrate für psychische Erkrankungen lag 2021 über 41% über dem Wert von vor 10 Jahren. Ein ganz entscheidender Punkt ist das Fehlen von sozialen Kontakten, welches nicht nur durch die Arbeit im Homeoffice eingeschränkt wird, sondern eine generelle Folgeerscheinung der Pandemie ist. Im Homeoffice fehlt deutlich der direkte kollegiale Austausch. Können Videocalls und lange Emailverläufe langfristig ein geselliges Beisammensein im Büro ersetzen? Der fehlende soziale Kontakt und das damit verbundene Ausbleiben von Austausch über Sachverhalte, die uns möglicherweise belasten, einschränken oder uns besonders freuen und glücklich machen, beeinflusst das Verhalten nachhaltig.

Die Folgen sind Antriebslosigkeit, Interessenverlust, aber auch psychische Erkrankungen stellen einen Risikofaktor da. Sie entwickeln sich häufig schleichend, werden aber in Isolation, durch beispielsweise Lockdowns und Ausgangssperren, deutlich verstärkt. Vor allem Depressionen und Angststörungen zählen zu den häufigsten Folgen der Pandemie. Besonders betroffen davon sind Menschen mit psychischen Vorerkrankungen, Menschen des weiblichen Geschlechts und generell Personen mit ängstlicher Einstellung oder Sorge um die eigene Gesundheit[2]. Auch existentielle Ängste, wie ein möglicher Jobverlust oder Zahlungsunfähigkeit bestärken Angststörungen und negative Gefühle.

Nicht zu vernachlässigen ist die Doppelbelastung vieler Beschäftigten im Homeoffice, welche durch die geringere oder fehlende Abgrenzung zwischen Beruf und Privatleben entsteht. Beschäftige arbeiten länger und auch zu anderen Arbeitszeiten, da es häufig keine klare räumliche und zeitliche Abgrenzung zum Privatleben gibt. Zusätzlich ist durch Schließungen von Schulen und Kitas oder den kurzfristigen Ausfall von Pflegekräften die Betreuungs- und Pflegearbeit von Kindern oder pflegebedürften Angehörigen gestiegen.

Anstieg von Suchterkrankungen in der Pandemie

Schon während Beginn der Pandemie wurde beobachtet, dass es eine Tendenz zu übermäßigem Alkohol- und Tabakkonsum sowie erhöhtem Konsum psychoaktiver Substanzen gab.  So sind bereits Anfang März 2020 die Umsätze des Alkoholverkaufs um 6,1% gestiegen[3]. Eine Umfrage von suchtmedizinischen Kliniken in Nürnberg und Mannheim hat ergeben, dass seit Beginn der Pandemie 42,7% mehr Tabak und 37,4% mehr alkoholische Getränke zu sich nehmen[4].

Durch den Rückgang sozialer Kontakte oder ein Rückzug aus der Gesellschaft und damit auch weniger Einblicken von Außenstehenden in das Berufs- oder Privatleben entstehen mehr Gelegenheiten und Möglichkeiten ein Suchtverhalten unbemerkt auszuprägen oder wieder aufzunehmen. Da die Isolation aber andauernd ist, kann sich ein solches Konsumverhalten oder eventuell sogar eine entstandene Abhängigkeit nach Ende aller Beschränkungen nur schwer oder gar nicht verringert oder beendet werden.

Umgang mit Ängsten und Hilfsangebote

Nicht nur die Corona Pandemie, sondern auch andere große Themen der letzten Monate, wie beispielsweise die Auswirkungen durch Klimawandel oder Kriege in unmittelbarer Nähe, lösen immer wieder Ängste und Unsicherheiten in uns aus. Es kann auch für Menschen ohne Vorerkrankungen schwierig sein, sich an ständige Veränderungen anzupassen. Wir müssen uns an jede neue Situation gewöhnen, das kann manchmal länger dauern, wenn man keinen Rhythmus findet. Die WHO hat einen Leitfaden dazu veröffentlicht, wie die mentale Gesundheit und der psychosoziale Umgang in Bezug auf die Corona Pandemie geschützt und gestärkt werden können. Einige zentrale Punkte hier zusammengefasst:

Tipp:

  1. Medien und Nachrichten sollten reduziert und gezielt konsumiert werden, z.B. nur zu bestimmten Tageszeiten, da vor allem der unkontrollierte Konsum von schlechten Nachrichten Ängste und Stress in uns auslösen.
  2. Die Achtung der eigenen Bedürfnisse und Gefühle sollte in den Vordergrund rücken. Regelmäßige Aktivitäten, die einen glücklich machen oder entspannen sind ein guter Ausgleich zu dem andauernden Stress.
  3. Kinder oder Angehörige können Probleme damit haben Ängste oder Trauer auszudrücken. Aktuelle Themen sollten ehrlich, aber altersgerecht kommuniziert werden, um Unsicherheiten zu schüren.
  4. Führungskräfte sollten das Stresspensum der Mitarbeitenden im Auge behalten und bei Möglichkeit die Belastungen unter den Beschäftigten aufteilen oder rotieren lassen.
  5. Sowohl im beruflichen als auch im privaten Umfeld, sollte der Zugang zu seriösen und gesundheitsfördernden Hilfsangeboten in schwierigen Situationen für alle sichergestellt sein.
  6. Kleine, aber tägliche Sporteinheiten können Zuhause auch in Isolation erlernt werden, sodass die Beweglichkeit aufrechterhalten oder Stress reduziert werden kann.

Raus aus der Krise – zurück ins Büro?

Das Homeoffice ist sowohl für viele Arbeitgeber:innen, als auch für die Arbeitnehmer:innen eine neue Herausforderung. Einige haben die Vorteile des mobilen Arbeitens schätzen gelernt, andere wiederum empfanden die Zeit als eher als belastend und freuen sich auf den Weg zurück ins Büro, zurück zu den Kollegen. Es ist nun aber wichtig alle Mitarbeitenden wieder abzuholen: Mit welchen Problemen hatten sie zu kämpfen? Wie geht es ihnen jetzt nach zwei Jahren in einer Pandemie? Wie können wir als Unternehmen unterstützen, um wieder in eine Normalität zu finden?


Autorin: Linda Weber


  • [1] Bundesinstitut für Arbeit und Soziales, Forschungsbericht 549, Verbreitung und Auswirkung von mobiler Arbeit und Homeoffice
  • [2] DAK-Psychoreport 2022
  • [3] Kunzler et al. Globalization and Health, Mental burden and its risk and protective factors during the early phase of the SARSCoV-2 pandemic: systematic review and meta-analyses
  • [4] Gesellschaft für Konsumforschung (GfK): Consumer Panel FMCG März 2020.
  • [5] Die Klinik für Abhängiges Verhalten und Suchtmedizin am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit Mannheim und die Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität Nürnberg, Link