Bedeutungszuwachs eines digitalen betrieblichen Gesundheitsmanagements
in Zeiten der Corona- Pandemie und einer damit verbundenen vermehrten Anwendung von Homeoffice in Unternehmen
Als notwendige Konsequenz der Corona- Pandemie wird das Arbeiten der Mitarbeiter in deren eigenen Wohnräumen, genannt Homeoffice, bei vielen Arbeitgebern zum festen Bestandteil der Unternehmensstruktur. Laut einer Umfrage des Digitalverbands Bitkom hat der Anteil der Arbeitnehmer, die im Homeoffice arbeiten seit der Corona- Krise deutlich zugenommen (vgl. Bitkom Research, 2020). Jedoch zeigen andere Studienergebnisse, dass der Anteil von Unternehmen, die Beschäftigten das Arbeiten im Homeoffice ermöglichen, bereits seit 2014 zugenommen hat (vgl. Bitkom Research, 2019) (Anlage 1). Darüber hinaus wird bei jedem zweiten Unternehmen ein ansteigender Anteil von Mitarbeitern im Home-Office erwartet (vgl. ebd.). Hierdurch wird das generelle Potenzial einer Digitalisierung in der Arbeitswelt, insbesondere im Hinblick auf diese Art des Arbeitens, aufgezeigt.
Anteil der HomeOffice anbietenden Unternehmen in der Zeitspanne 2014- 2018 auf Grundlage einer Befragung von Geschäftsführern und Personalverantwortliche von Unternehmen ab drei Mitarbeitern (n= 1534) (Quelle: Bitkom Research, 2019)
Home-Office & Work-Life-Balance
Studien von Eurofound, der europäischen Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen, weisen darauf hin, dass die Arbeitszeit und das Ausmaß der Work- Life- Balance eine Wirkung auf das berufsbezogene Wohlbefinden hat (Eurofound, 2012, 33). Neben der Höhe des Einkommens und dem durch den Beruf erworbenen Selbstbewusstsein schreibt die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung besonders den Beschäftigten zu (Naidoo & Wills, 2003,35).
In diesem Hinblick geht ferner aus dem Fehlzeitenreport 2019 hervor, dass die zunehmende Digitalisierung in der Arbeitswelt negative Auswirkungen auf die Gesundheit, beispielsweise in Form von Erschöpfungszuständen durch eine Arbeitsverdichtung und die kontinuierliche Erreichbarkeit der Mitarbeiter, haben kann (vgl. Badura, Ducki, Schröder, Klose, Meyer, 2019, 4). Wissenschaftler der Eurofound sowie der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) belegen zudem anhand von qualitativen Studien an Beschäftigten, dass sich eine Telearbeit, die von Zuhause via Smartphone, Laptop oder Computer geleistet wird (Böckler Impuls, 2017, 2) negativ auf die Work- Life- Balance der Beschäftigten auswirken kann (Eurofound, 2019 ,28). Die Ergebnisse der Studien weisen darauf hin, dass die Arbeit von zuhause einerseits mit einer höheren Arbeitszeit und zudem mit dem Gefühl einer ständigen Erreichbarkeit der Arbeitnehmer verbunden ist. So besteht die Gefahr, dass zwischen Arbeit und Privatleben keine klare Grenze mehr gezogen werden kann, was sich negativ auf das Wohlbefinden der Arbeitnehmer auswirken kann (Eurofound, 2019, 28). Heimarbeiter sollen zwar flexibler in der Zeiteinteilung sein, gleichzeitig aber auch ein höheres Stresslevel im Gegensatz zu normal Beschäftigten aufweisen (vgl. Eurofound, 2019, 33). Diese erhöhte Arbeitsbelastung soll die Schlafqualität negativ beeinflussen, sodass Arbeitnehmer, die von Zuhause aus arbeiten regelmäßiger in der Nacht erwachen und daher häufiger von Schlafbeschwerden berichten als hauptsächlich in der Firmenzentrale Beschäftigte (vgl. Eurofound, 2019, 39).
Gesunde Arbeitsbedingungen auch im Home-Office
Laut Prof. Dr. Dirk Windemuth, Arbeitspsychologe und Leiter des Instituts für Arbeit und Gesundheit (IAG) der deutschen gesetzlichen Unfallversicherung, braucht es bei der Arbeitsform des Homeoffice gesunde Arbeitsbedingungen, die es den Mitarbeitern erlauben, sich am Arbeitsplatz in den privaten Wohnräumen wohlzufühlen (vgl. INQA, 2019). Vor allem in Anbetracht dessen, dass womöglich die wenigsten der Mitarbeiter, die nun im „Home Office“ arbeiten laut Prof. Dr. Windemuth „ein eigenes Arbeitszimmer haben oder gar einen passenden Bürostuhl“ (D. Windemuth, 2019, INQA), wird auf die Notwendigkeit einer adäquaten betrieblichen Gesundheitsförderung, die auf die aktuellen Arbeitsbedingungen abgestimmt ist, z.B. auch in Form von Schulungen zur ergonomischen Arbeitsweise, hingewiesen. Es wird vermutet, dass technologische Arbeitsformen das Auftreten von Nacken- oder Sehnenschmerzen in Handgelenk und Fingern bei Beschäftigten bedingen können (vgl. Eurofound, 2017, 34).
Digitale Angebot für gesunde Arbeit im Home-Office durch den Arbeitgeber
Laut Hinweisen der gesetzlichen Unfallversicherung müssen sich Präventionskonzepte an aktuellen Arbeitsplatzrisiken ausrichten (vgl. VBG, 2016, 5), die sich durch eine Umstellung auf das Homeoffice verändern. Hinzukommt, dass diese veränderten Arbeitsbedingungen in den privaten Lebensräumen der Mitarbeiter durch den Arbeitgeber nur schwerlich beeinflusst bzw. kontrolliert werden können. Hier entsteht jedoch die Möglichkeit einer Einflussnahme des Arbeitgebers durch die Bereitstellung von digitalen Angeboten einer betrieblichen Gesundheitsförderung mit dem Ziel einer Senkung von Fehlzeiten, einer Produktionssteigerung und einer Mitarbeiterbindung an das Unternehmen sollte es im besonderen Interesse der Arbeitgeber sein, die Gesundheit der Mitarbeiter durch gesundheitsförderliche Arbeitsbedingungen zu erhalten (vgl. Scherenberg, 2016, 1), gerade auch jetzt in Zeiten der vermehrten Umstellung auf das Homeoffice. Der Arbeitgeber spielt bei der Einführung einer adäquaten Gesundheitsförderung eine gewichttragende Rolle, da sich laut dem “DGB- Index Gute Arbeit” eine angenehme Betriebsatmosphäre “[…] nicht nur positiv auf die Arbeitsprozesse auswirkt, sondern darüber hinaus eng mit dem Wohlbefinden und der Gesundheit der Beschäftigten verbunden ist” (Institut DGB Index Gute Arbeit, 2019, 58).
Wiebke Arps, Mitarbeiterin der Technik Krankenkasse, postuliert, dass eine digitale Ausrichtung einer betrieblichen Gesundheitsförderung besonders für Betriebszugehörige konzipiert werden soll, die nicht kontinuierlich im Betrieb anzutreffen sind (Arps, 2017, 23).
Die Ergebnisse der durch die Techniker Krankenkasse erhobene Studie „#whatsnext- Gesund arbeiten in der digitalen Arbeitswelt“ weisen darauf hin, dass Ansätze einer betrieblichen Gesundheitsförderung, die nach einer besseren Erreichbarkeit von Beschäftigten streben, in den kommenden Jahren zunehmend über digitale Medien sichergestellt werden sollen (Straub, Schmitt, Krapf, Walter, Mess, Arps, Hombrecher & Ahlers, 2017, 23).
Chancen digitaler Trainings nach der Corona-Pandemie
Auch wenn davon auszugehen ist, dass mit sinkenden Fallzahlen der COVID- 19- Erkrankungen ebenfalls die Anzahl der Arbeitnehmer, die im Home Office beschäftigt sind, abnimmt, ist es jedoch auf Arbeitgeberseite bereits jetzt äußerst sinnvoll, auf den Trend einer zunehmenden Digitalisierung in der Arbeitswelt zu reagieren. In der Arbeitswelt kann die Digitalisierung, wie bereits beschrieben, die Ursache eines erhöhten Stressempfindens der Mitarbeiter sein, gleichzeitig ergeben sich aber auch neue Angebote der Stressprävention und Maßnahmen einer betrieblichen Gesundheitsförderung.
So kann etwa durch die Nutzung von verschiedenen Informations- und Kommunikationstechnologien das Ziel verfolgt werden, auf die psychische sowie physische Gesundheit der Berufstätigen positiv Einfluss zu nehmen (vgl. Lehr & Boß, 2019, 157). Eine betriebliche Gesundheitsförderung auf digitaler Basis kann beispielsweise durch Interventionsansätze in Form von Online- Gesundheitstrainings, bei denen Trainings bzw. Therapieprogramme den Mitarbeitern zur Verfügung stehen, initiiert werden (vgl. Lehr & Boß, 2019, 158).
Aber auch mobile Anwendungen, auf die anhand des eigenen Mobiltelefon zugegriffen werden kann, besitzen das Potenzial, das Stressempfinden und das Wohlbefinden der Arbeitnehmer zu steigern. Zu dieser Erkenntnis führte eine Evaluation über die Wirksamkeit einer mobilen Meditations- Anwendung (vgl. Bostock, Crosswell, Prather & Steptoe, 2018, 134). Einer betrieblichen Gesundheitsförderung bereits jetzt einen digitalisierten Rahmen zu verleihen, ist als sinnvoll zu deklarieren, da sich gesundheitliche Verhaltensweisen, nach Erkenntnissen einer Studie des University College in London, nach durschnittlich 66 Tagen habituieren (vgl. Lally, Van Jaarsfeld, Potts & Wardle, 2009).
Besonders Unternehmen, die stets einen hohen Anteil an mobilen Beschäftigten aufweisen, wird damit die Perspektive geboten, dass auf gesundheitsförderliche Hinweise bzw. Übungsanleitungen auch noch im privaten Alltag zurückgegriffen wird, selbst wenn die Arbeitnehmer größtenteils an ihren ursprünglichen Arbeitsplatz in der Firmenzentrale zurückkehren. Die Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass die Anwendung digitaler Interventionen ein steigendes Wohlbefinden bei den Arbeitnehmern erzeugt, sodass diese gewillt sind, die digitalen Interventionen weiterhin in Anspruch zu nehmen. Um dies sicherzustellen ist die kontinuierliche Dokumentation der Wirksamkeit dieser Maßnahmen, beispielsweise anhand von regelmäßigen Mitarbeiterevaluationen oder Gesundheits- Screenings, eine notwendige Prämisse bevor digitale Maßnahmen vollständig in ein bereits bestehendes betriebliches Gesundheitsmanagement im Unternehmen implementiert werden.
Sofern bedarfsgerechte, gesundheitsförderlichen Ansätze auf eine hohe Akzeptanz der Mitarbeiter stoßen, kann mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass zu einer langfristigen und effektiveren Gesunderhaltung der Mitarbeiter beitragen.
Autorin: Sina Dillenberger, 11.04.2020
Literaturverzeichnis
- Bitkom Research. (2019). Vier von zehn Unternehmen setzen auf Homeoffice. Digitalverband Bitkom e.V., Berlin.
- Bitkom Research. (2020). Corona Pandemie: Arbeit im Home Office nimmt deutlich zu. Digitalverband Bitkom e.V., Berlin.
- Badura, B., Ducki, A., Schröder, H., Klose, J. & Meyer, M. (2019). Fehlzeiten- Report 2019: Digitalisierung – gesundes Arbeiten ermöglichen. Berlin: Springer Verlag.
- Bostock, S., Crosswell, A. D., Prather, A. A. & Steptoe, A. (2018). Mindfulness on- the-go: Effects of a mindfulness meditation app on work stress and wellbeing. Journal of Occupational Health Psychology, 2019(1), 127-138.
- Böckler Impuls, der Informationsdienst der Hans- Böckler- Stiftung. (2017). Telearbeiter sind gestresster. Arbeitswelt, 2017 (5).
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- Institut des Deutschen Gewerkschaftsbundes- Index Gute Arbeit. (2019). Jahresbericht 2019: Themenschwerpunkt Arbeitsintensität. Standardberichterstattung des DGB- Index Gute Arbeit, Berlin.
- Lally P., Van Jaarsveld, C. H. M., Potts, W. W. H. & Wardle, J. (2009). How are habits formed: Modelling habit formation in the real world. European Journal of Social Psychology, 40 (6), 998- 1009.
- In: B. Badura, A. Ducki, H. Schröder, J. Klose & M. Meyer (Hrsg.), Fehlzeiten-Report 2019: Digitalisierung – gesundes
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- Naidoo, J. & Wills, J. (2003). Lehrbuch der Gesundheitsförderung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA). Gamburg: Verlag für Gesundheitsförderung.
- Scherenberg, V. (2016). Fokus verhaltenspräventive Maßnahmen: Qualitätskriterien in der Betrieblichen Gesundheitsförderung. Newsletter Corporate Health Network (4), 1-4.
- Straub, R., Schmitt, K., Dr. Krapf, F., Dr. Walter, N. U., Prof. Dr. Mess, F. Arps, W., Hombrecher, M. & Ahlers, G. (2017). #whatsnext- Gesund arbeiten in der digitalen Arbeitswelt. Personalmagazin, 2017, 6-23.
- Lehr, D. & Boß, L. (2019). Occupational e-Mental Health – eine Übersicht zu Ansätzen, Evidenz und Implementierung.
- Verwaltungs- Berufsgenossenschaft (VBG) – gesetzliche Unfallversicherung. (2016). Arbeit und Gesundheit: Gemeinsam für Beschäftigungsfähigkeit und Erfolg. (öffentlich zugängliches PDF Dokument) Retrieved from http://www.vbg.de/SharedDocs/MedienCenter/DE/Broschuere/Themen/Kommuni kation/Kurzbroschuere_Arbeit_und_Gesundheit.pdf;jse=1B4370803D94A89831B 9975E5E88FD6E=publicationFile
- Windemuth, D. (2020). Arbeiten in der Corona Krise. Initiative Neue Qualität der Arbeit (INQA).