Die gute Nachricht vorab: Die Arbeit am PC gilt als belastungsarme Tätigkeit. Wir müssen keine schweren Gewichte handhaben, das Unfallrisiko ist vergleichsweise gering, die Arbeitszeiten können oft flexibel gestaltet werden und meist haben wir auch die Möglichkeit, unseren Tag oder wenigstens Teile davon eigenständig zu strukturieren. Klingt eigentlich traumhaft – wo ist dann aber das Problem, wenn es überhaupt eines gibt? Warum klagen so viele „Schreibtischtäter*innen“ dann über körperliche Beschwerden, trockene Augen oder Stress? Ist Sitzen wirklich das neue Rauchen? Kann Arbeit am PC überhaupt gesund sein?
Zu geringe Belastung vor dem Bildschirm
Nun, die eingangs beschriebenen Vorzüge können teilweise – mal abgesehen vom geringen Unfallrisiko – auch zu Herausforderungen werden: Zwar müssen wir keine schweren Gewichte tragen, dafür ist die Belastung des Körpers jedoch zu gering: Unser Körper ist eigentlich für Bewegung gemacht, und die kommt bei der Arbeit am Bildschirm definitiv zu kurz. Und die Flexibilität bei der Zeiteinteilung und Strukturierung des Tages erfordert auch ganz schön viel Disziplin, vor allem, wenn wir jetzt auch noch an unsere Gesundheit denken müssen. Denn selbst wenn wir einen perfekt ausgestatteten Arbeitsplatz haben, dann liegt es größtenteils doch an unserem Verhalten, ob wir tatsächlich gesund bleiben: Der höhenverstellbare Schreibtisch an sich macht noch nicht, dass wir diesen auch wirklich nutzen. Blendfreie Arbeitsflächen sind zwar wichtig, aber sie führen noch nicht dazu, dass wir den Augen die Abwechslung bieten, die sie brauchen. Und da wir viel mit dem Kopf arbeiten, kann es vor allem im Homeoffice schnell dazu führen, dass wir die Arbeit mit in die Freizeit nehmen – unser PC ist zwar schon längst heruntergefahren, aber der Kopf rotiert weiter.
Mehr noch als in anderen Tätigkeitsbereichen liegt es also bei der Arbeit am Schreibtisch vor allem an unserem Verhalten, wie gesund diese ist bzw. von uns gestaltet wird. Das gilt fürs Homeoffice genauso wie fürs Büro.
Deswegen gehe ich in diesen Artikel auf die wichtigsten Kategorien ein, die Sie beim Arbeiten am PC beachten sollten, die drei „S“: Sitzen, Sehen, Stress.
1. Sitzen
Das Wichtigste: Es gibt keine falsche Sitzhaltung. Leider aber auch nicht die richtige. Sie sollten also die Position so oft es geht wechseln: Achten Sie darauf, nicht in einer Position „einzufrieren“ und dann stundenlang darin zu verharren.
Wechseln Sie ab zwischen einer angelehnten Sitzhaltung, einer halbangelehnten und einer ganz ohne Rückenlehne. Wechseln Sie ab zwischen Sitzen, Stehen und Bewegen. Ideal wäre es für den Körper, 50% der Arbeitszeit zu sitzen, 25% zu stehen und sich 25% zu bewegen. Auch wenn Sie das Ideal nicht erreichen – streben Sie es an: Sie haben keinen höhenverstellbaren Schreibtisch? Dann stellen Sie sich beispielsweise für Telefonate hin. Vielleicht schaffen Sie sich auch einen Platz im Raum, an dem Sie im Stehen wenigstens ein paar Notizen machen oder Unterlagen durchsehen können.
Übrigens: Dauerhaftes Stehen ist genauso einseitig wie dauerhaftes Sitzen. Es kommt also nie auf die Position an sich an, sondern auf die Abwechslung!
Mikropausen
Für Bewegung zwischendurch empfehle ich sogenannte „Mikropausen“: Kleine 1-2 minütige aktive Pausen, in denen Sie dem Körper genau die Abwechslung geben, die er braucht: Sie saßen gerade mit nach vorn geneigtem Kopf und haben angestrengt und konzentriert gearbeitet? Stellen Sie Ihre Rückenlehne dynamisch, verschränken Sie die Hände hinter dem Kopf, lehnen Sie sich zurück, richten sie den Blick dabei nach vorne unten und strecken Sie sich lang nach hinten. Sie saßen lange unbewegt, der Oberkörper ist zum Eisklotz mutiert? Bringen Sie ihn zum Schmelzen! Dehnen Sie die Seiten des Oberkörpers, machen Sie Rotationsbewegungen, und gönnen Sie auch Ihren Schultern „Auslauf“ durch große kreisende Bewegungen. Die Schulter ist das beweglichste Gelenk des Körpers und völlig unterfordert durch die Arbeit am PC. Wenn Gelenke nicht ausreichend bewegt werden, wird zu wenig Gelenkflüssigkeit gebildet. Diese aber ernährt den Knorpel, der die Gelenkflächen auskleidet. Bewegung ist also essentiell, um beispielsweise Arthrose zu verhindern.
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Und nun noch zur Einstellung des Stuhls und des Schreibtisches: Beide sollten so eingestellt sein, dass sie zu unserem Körper passen, nicht umgekehrt. Hier schon mal drei häufigsten Fehler, die gemacht werden, und meine Empfehlungen dazu:
- Der Bildschirm ist viel zu weit oben.
Empfehlung: Der obere Rand des Bildschirms sollte maximal auf Augenhöhe sein, so dass wir leicht von oben nach unten schauen.
- Tastatur und Maus liegen zu weit weg.
Empfehlung: Nehmen Sie beide so nah zu sich her, dass Sie die Arme dabei ablegen können.
- Der Tisch ist zu hoch oder niedrig.
Empfehlung: Wenn Sie aufrecht sitzen (Füße kommen zum Boden) und die Arme im rechten Winkel mit entspannten Schultern neben dem Körper hängen, dann sollten die Unterarme aufliegen.
Und nicht vergessen: Selbst wenn der Arbeitsplatz perfekt eingerichtet ist – bleiben Sie in Bewegung.
2. Sehen
Viele klagen über trockene Augen bei der Bildschirmarbeit. Das hat meist folgende Ursachen:
- 1. Wir blinzeln weniger, wenn wir am Bildschirm arbeiten.
Somit werden die Augen nicht so gut befeuchtet.
Tipp: Blinzeln sie also öfter bewusst in Ihren Mikropausen und gähnen Sie dabei am besten herzhaft.
- 2. Wir vergessen oft vor lauter Konzentration das Trinken.
Mindestens 1,5 Liter sollten es schon sein.
Tipp: Schreiben Sie am besten mal auf, was Sie tagsüber so trinken, oder stellen Sie sich eine entsprechend große Flasche Wasser auf den Schreibtisch, die Sie bis Feierabend ausgetrunken haben sollten.
Wir schauen bei der Arbeit am Bildschirm außerdem ständig in die Nähe. Das bedeutet, dass der Ziliarmuskel, der die Linse steuert, immerzu angespannt ist. Gönnen Sie ihm ab und zu Entspannung indem Sie in die Ferne schauen. Lässt sich wunderbar mit Blinzeln und Gähnen verbinden!
3. Stress
Wenn wir unseren Stress reduzieren wollen, können wir an mehreren Ebenen ansetzen:
- Ebene der Stressoren: Wir können die Ursachen für Stress reduzieren. Computer zu langsam? Neuen kaufen! Zu viel zu tun? Einfach delegieren! Kollegin nervt? Neue suchen! Sie sehen schon: Es ist nicht immer möglich, hier eine realistische Lösung zu finden. Oft geht zwar mehr als man zunächst denkt, aber wenn nicht, gibt es zum Glück noch weitere Ebenen:
- Mentale Ebene: Wir können reflektieren, womit wir uns selbst unter Druck setzen. Wollen wir vielleicht immer alles perfekt machen und können uns Fehler nur schwer verzeihen? Fällt es uns schwer, Hilfe anzunehmen, weil wir stark sein wollen? Haben wir Angst, uns unbeliebt zu machen, wenn wir mal Nein sagen? Von diesen inneren Antreibern gibt es eine ganze Menge. Beobachten Sie, ob davon welche besonders stark ausgeprägt sind. Meistens beginnt die Veränderung schon, wenn wir uns die Antreiber bewusst machen.
- Ebene der Entspannung: Weder Ebene 1 noch Ebene 2 haben funktioniert? Sie sind total gestresst? Macht nichts! Denn: Stress ist nicht ungesund, wenn er akut bleibt. Alles, was wir brauchen, um wieder „runterzukommen“, ist etwas Entspannung zwischendurch – seien es ein Spaziergang, ein aufbauendes Gespräch mit einem Kollegen oder die berühmten drei tiefen Atemzüge zwischendurch.
Wenn Sie etwas systematischer entspannen möchten, empfehlen wir Ihnen diese Entspannungsvideos
Im Homeoffice gibt es natürlich viele ganz individuelle Herausforderungen, auf die ich hier nicht im Detail eingehe. Das Wichtigste ist: Auch wenn Ausstattung und Umgebung mal nicht perfekt sind – Sie können mit Ihrem Verhalten sehr viel beeinflussen, um durch Ausgleich gesünder zu leben. Wir hoffen, Sie mit diesem Artikel und unseren Videos dabei zu unterstützen!
Autorin: Miriam Hagner-Collett, Gesundheitspädagogin und Yogalehrerin, gibt regelmäßig Ergonomieberatungen und unterstützt Führungskräfte bei der Einrichtung von Bildschirmarbeitsplätzen. In ihren Videoanleitungen fasst sie die ihre wichtigsten Tipps für gesundes Arbeiten am PC zusammen. ⇒ zu den Videos