Krankenrückkehrgespräche – Der Praxisleitfaden

 

Arbeitsrecht: Rechtliche Rahmenbedingungen von Krankenrückkehrgesprächen

Es gibt kein Gesetz, dass den Arbeitgeber zur Durchführung von Krankenrückkehrgesprächen (Fehlzeitengespräche, Fürsorgegespräche, Mitarbeitergespräche oder ähnlich) verpflichtet. Dennoch sind diese in der Praxis weit verbreitet und werden immer häufiger in den Unternehmen durchgeführt. Hierbei handelt es sich um ein Gespräch, dass der Vorgesetzte mit einem Mitarbeiter führt, der zuvor arbeitsunfähig erkrankt war oder z.B. auffällige Verhaltensänderungen zeigt. Erfragt werden die Rahmenbedingungen des Arbeitnehmers in seinem persönlichen Umfeld, durch die Arbeit entstehende Krankheitsursachen und Zusammenhänge mit früheren Erkrankungen. Die Gespräche sind regelmäßig für mehrere Stufen – je nach Häufigkeit der krankheitsbedingten Fehlzeiten – standardisiert, erfolgen nach bestimmten Strukturen und können anschließend protokolliert werden. Der Arbeitgeber bzw. Vorgesetzte ist hierbei aber an gewisse Spielregeln gebunden.

 

Krankenrückkehrgespräche und Betriebliches Eingliederungsmanagement

Ob der Arbeitgeber Krankenrückkehrgespräche einführt, bleibt ihm überlassen, sofern er die Mitbestimmungsrechte eines ggf. vorhandenen Betriebsrats beachtet. Eine Ausnahme gilt jedoch, wenn ein Arbeitnehmer innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig ist. Hier muss der Arbeitgeber im Rahmen des Betrieblichen Eingliederungsmanagements mit dem Betriebsrat, ggf. auch mit der Schwerbehindertenvertretung, und dem betroffenen Beschäftigten nach § 167 Abs. 2 Sozialgesetzbuch (SGB) IX erörtern,

  • wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden und
  • mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und
  • der Arbeitsplatz erhalten werden kann.

Dies kann auch bereits vor einem betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM) im Rahmen von Krankenrückkehrgesprächen initiiert werden. Die Krankenrückkehrgespräche werden meist durch die direkte Führungskraft oder einen Personalverantwortlichen durchgeführt, BEM-Gespräche werden vom BEM- bzw. Integrationsteam geführt.

Krankenrückkehrgespräche – Dialog mit Fingerspitzengefühl – Gesund Führen V

 

Erscheinen ist grundsätzlich Pflicht

Wird der Arbeitnehmer zu einem Krankenrückkehrgespräch gebeten, muss er dem nachkommen, soweit die Bitte den Anforderungen einer möglichen Betriebsvereinbarung entspricht (etwa Zeitraum zwischen Bitte zum Gespräch und Gesprächstermin). Existiert ein Betriebsrat, darf der Arbeitnehmer ein Betriebsratsmitglied zum Gespräch hinzuziehen, §§ 82 Abs. 2, 84 Abs. 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG). Schwerbehinderte Menschen können sich auch an die Schwerbehindertenvertretung wenden.

Krankenrückkehrgespräche sind ganz klar von sogenannten BEM-Gesprächen – Gesprächen im Rahmen des Betrieblichen Eingliederungsmanagements – zu unterscheiden. Bei BEM-Gesprächen, muss der Arbeitnehmer einer Teilnahme erst zustimmen.

 

Was der Arbeitgeber fragen darf – und was er nicht fragen darf

Grundsätzlich sind Fragen des Arbeitgebers nach dem Krankheitsgrund unzulässig, egal ob dies während oder nach der Arbeitsunfähigkeit erfolgt, da solche Frage in das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers eingreifen. Ausnahmen gelten jedoch, wenn

•  ein berechtigtes betriebliches Interesse besteht, etwa wegen Ansteckungsgefahr oder ob der Arbeitnehmer seine Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben kann

•  der begründete Verdacht besteht und konkrete Indizien bestehen, dass der Arbeitnehmer die Erkrankung nur vorgetäuscht hat

•  es sich um Fragen anlässlich eines Betrieblichen Eingliederungsmanagements handelt

•  eine krankheitsbedingte Kündigung beabsichtigt ist

In diesen Fällen muss der Arbeitnehmer wahrheitsgemäß antworten. Fragen nach dem Gesundheitszustand und privaten Gewohnheiten brauchen dagegen nicht beantwortet zu werden.

Da eine Schwangerschaft keine Krankheit ist, sind auch Fragen danach oder über deren Planung unzulässig, soweit durch eine Schwangerschaft die Berufsausübung nicht gefährdet wird.

 

Zulässig sind dagegen Fragen des Arbeitgebers

• nach der voraussichtlichen Dauer der Krankheit, etwa wegen der Berechnung der Entgeltfortzahlung

• darüber, ob die Erkrankung durch die betrieblichen Bedingungen verursacht wurde, damit diese verbessert werden können

• im Falle von Arbeitsunfällen über den Unfallhergang und dessen Ursache, um der Anzeigepflicht gegenüber der Berufsgenossenschaft (BG) nachkommen zu können

Sollen die Ergebnisse der Rückkehrgespräche aufgezeichnet werden, ist aus datenschutzrechtlichen Gründen der Arbeiternehmer darüber zu informieren und dessen Einwilligung einzuholen.

 

Schweigepflichtentbindung und Betriebsarzt: Das kann nicht verlangt werden

Der Arbeitgeber kann von den Arbeitnehmern nicht verlangen, dass diese den sie behandelnden Arzt von seiner Schweigepflicht entbinden.

Auch in ihrer Arztwahl sind die Arbeitnehmer frei. Sie können daher nicht dazu verpflichtet werden, sich vom Betriebsarzt untersuchen zu lassen, zumal die Überprüfung der Berechtigung von Krankmeldungen nicht zu dessen Aufgaben gehört, § 3 Abs. 3 Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG).

 

Der Betriebsrat darf mitreden

Existiert ein Betriebsrat, hat dieser bei formalisierten Krankenrückkehrgesprächen zur Aufklärung eines überdurchschnittlichen Krankenstandes ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG (Bundesarbeitsgericht (BAG), Beschluss vom 08.11.1994, Az.: 1 ABR 22/94). Nach dieser Grundsatzentscheidung handelt es sich dabei um eine Frage der betrieblichen Ordnung. Wird das Mitbestimmungsrecht nicht beachtet, kann der Betriebsrat u. a. die Einführung einer einschlägigen Betriebsvereinbarung (BV) erzwingen.

» Eine entsprechende Muster-Betriebsvereinbarung zu „Rückkehrgesprächen/ Krankenrückkehrgesprächen“ können Sie hier kostenlos downloaden «

In der Praxis empfiehlt es sich daher, von vornherein einvernehmlich mit dem Betriebsrat eine innerbetriebliche Vereinbarung zum Thema Krankenrückkehrgespräche zu schließen.

Beachtet werden sollte auch, dass der Betriebsrat bei der Gefährdungsbeurteilung, also der Beurteilung der Arbeitsbedingungen nach § 5 Arbeitschutzgesetz (ArbSchG), ebenfalls mitbestimmen kann, § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG. Fehlt eine solche Gefährdungsbeurteilung für den Arbeitsplatz des betroffenen Arbeitnehmers, kann der Betriebsrat das vom Arbeitgeber beabsichtigte Krankenrückkehrgespräch mit dem Mitarbeiter unter Umständen sogar verhindern.

 

Kostenloser Download: Muster-Betriebsvereinbarung für Krankenrückkehrgespräche

» Kostenloser Download: „Muster-Betriebsvereinbarung für Krankenrückkehrgespräche“ «

Muster-Betriebsvereinbarung-BV-Krankenrückkehrgespräche

 

Instrument zur Mitarbeiterführung bei hohen Fehlzeiten

Dieses Instrument der Mitarbeiterführung ist jedoch ein zweischneidiges Schwert und sollte mit Fingerspitzengefühl, entsprechendem Training und der richtigen Intension eingesetzt werden.

Das Krankenrückkehrgespräch hat in vielen Belegschaften ein negatives Image, da es von den Mitarbeitern nicht selten als „Drohung“ empfunden wird. Nach dem Motto: „Jetzt war ich mal krank und muss gleich zum Chef.“ In der Tat kommt es vor, dass Krankenrückkehrgespräche in einigen Unternehmen als Druckmittel eingesetzt werden, um dem Mitarbeiter zu signalisieren, dass auf die Fehlzeiten geachtet wird und es auffällt, wenn der Kollege nicht da ist. Aber auch im Zusammenhang mit einer krankheitsbedingten Kündigung kam man in der Vergangenheit nicht um Krankenrückkehrgespräche herum, wenn man eine negative Gesundheitsprognose erstellen wollte. Mittlerweile reicht das aber nicht mehr aus, da mit der Einführung des Betrieblichen Eingliederungsmanagements 2004 die Hürde für eine krankheitsbedingte Kündigung noch höher liegt als vorher.

 

Die richtige Intention

Die Intention von Krankenrückkehrgesprächen sollte jedoch eine andere sein. So geht es in erster Linie darum, dass die Führungskraft nach der Wiederkehr des Mitarbeiters aus einer Erkrankung erfährt, ob dieser wieder zu 100% einsatzfähig ist und an seinen gewohnten Arbeitsplatz zurückkehren kann. Diese Gespräche finden also im Rahmen der Fürsorgepflicht des Vorgesetzten statt, sollten vertrauensbildend geführt werden und sprechen für einen gesundheitsorientierten Führungsstil.

 

Vertraulichkeit in Krankenrückkehrgesprächen

Hierzu bedarf es viel Fingerspitzengefühl und Übung, um dem Mitarbeiter nicht zu nahe zu treten und ihn in solch einem sensiblen Thema, wie dem Thema „Gesundheit“ zu befragen. Wichtig ist hierbei, dass der Mitarbeiter im Vorfeld eines Krankenrückkehrgespräches darüber aufgeklärt werden muss, dass er keine Auskunft über Krankheitsursachen oder Diagnosen nennen braucht. Darüber hinaus sollte deutlich werden, dass es hier nicht darum geht, dem Mitarbeiter einen Vorwurf zu seinem Fehlen zu machen, sondern, dass Sie eventuelle Ursachen am Arbeitsplatz für die Krankheit ausschließen wollen und eine mögliche Neuerkrankung aufgrund der selben Ursache vermeiden wollen.

Ursachen könnten z.B. sein:

  • Zugluft
  • Temperaturwechsel
  • Arbeitsplatzergonomie
  • Arbeitspensum
  • Arbeitszeiten
  • Lange sitzende Tätigkeiten
  • Ärger mit einem Kollegen
  • Ärger mit der Führungskraft
  • Ärger mit Kunden
  • hoher Zeitdruck
  • fehlende Unterstützung
  • insgesamt hohe Stressbelastungen

Hier können ggf., wenn auch oftmals nur temporär Anpassungen oder Optimierungen der Arbeitsbedingungen vermeiden, dass der Mitarbeiter in Kürze wieder erkrankt. Mittel bis langfristig können gesundheitsfördernde Strukturen im Rahmen eines Betrieblichen Gesundheitsmanagements ebenfalls nachhaltige Lösungen ermöglichen. Darüber hinaus dient diese Kommunikation ebenfalls der Vertrauensstärkung zur Führungskraft und kann deshalb, wenn richtig eingesetzt, ein wertvolles Instrument zur Steigerung der Mitarbeitermotivation und der Verbundenheit zum Unternehmen sein.

 

Wann ist der richtige Zeitpunkt dafür?

In der Regel wird das Krankenrückkehrgespräch vom direkten Vorgesetzten durchgeführt und sollte möglichst zeitnah nach der Rückkehr des Mitarbeiters erfolgen. In den Unternehmen gibt es sehr unterschiedliche Regelungen, wann die Führungskraft ein solches Gespräch führen sollte. Von „ab 1 Tag“ bis ab „> 2 Wochen“ oder manchmal auch nur „punktuell“ ist hier alles anzutreffen. Wir empfehlen Ihnen hier eine Selektion und einen Zeitrahmen von „> 2 Wochen“, um nicht jeden Mitarbeiter, der z.B. aufgrund einer Erkältung fehlt, zu einem Gespräch zu bitten. Parallel dazu sollten die Mitarbeiter aber auch darüber informiert werden, dass sie sich bei Leistungseinschränkungen nach einer Erkrankung auch selbständig mit ihrer Führungskraft in Verbindung setzen. Sucht jedoch der Vorgesetzte den Mitarbeiter auf, so ist zu empfehlen, dass das Krankenrückkehrgespräch in Ruhe, gut strukturiert und in einer angenehmen Atmosphäre durchgeführt wird. Diese Struktur könnte z.B. wie folgt aussehen:

 

Seminar: Schulung der Führungskräfte für Gespräche mit Fingerspitzengefühl

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Gesprächsleitfaden: Inhalte von Krankenrückkehrgesprächen

1) Begrüßung

2) Fürsorgepflicht

3) Vertraulichkeit & Aufklärung zum „Schutz der persönlichen Daten“

4) Bezug zur letzten Erkrankung / AU-Zeit/ herstellen

5) Abklärung ob Ursachen hierfür Arbeitsplatzbezug haben

6) ggf. gemeinsame Suche nach Verbesserungsmöglichkeiten

7) Maßnahmen vereinbaren

8) Philosophie der „Offenen Tür“ & Verabschiedung.

 

Checkliste für Gespräche: Ein Beispiel aus der Praxis

Ein Beispiel aus der Praxis

Hier stellen wir Ihnen einmal ein praktisches Beispiel aus dem beruflichen Alltag einer Führungskraft (FK) vor:

1) Begrüßung

„Hallo Herr/ Frau Schmidt! Wie geht es Ihnen?“ …

2) Fürsorgepflicht

„Ich als Vorgesetzter habe ja eine Fürsorgepflicht für meine Mitarbeiter hier im Betrieb und suche deshalb kurz das Gespräch mit Ihnen.“ …

3) Vertraulichkeit & Aufklärung „Datenschutz“

„Sie wissen ja, dass Sie mir natürlich nichts über Ihre Krankheit oder Krankheitsursachen erzählen müssen.“ …

4) Bezug zur letzten Erkrankung / AU-Zeit/ herstellen.

„Sie sind ja nun seit gestern wieder aus Ihrer Erkrankung zurück gekehrt. Deshalb würde mich interessieren, ob es vielleicht Belastungen/ Ursachen hier am Arbeitsplatz gibt, die mit Ihrer Erkrankung im Zusammenhang stehen/ die zu Ihrer Erkrankung geführt haben? Sind Sie soweit wieder vollständig fit oder gibt es gesundheitliche Einschränkung, die ich bei Ihrer Arbeit/ bei Ihrem Einsatz berücksichtigen wissen sollte oder muss/ sollte?“ …

5) Philosophie der „Offenen Tür“ & Verabschiedung.

„Ich danke Ihnen für Ihre Zeit und Ihr Vertrauen und wenn Ihnen noch etwas einfallen sollte können Sie sich gern jederzeit an mich wenden.“ …
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